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Montag, 25. November 2013

52. +

"The sun still rises/ even with the pain". Oder Zwei Jahre.

Heute Morgen im Auto hat Jette das erste Weihnachtslied für diese Saison im Radio gehört. "Simply..havin'..a wonderful Christmas time...".
Ungewohnt irgendwie noch, aber okay.
Dann ab jetzt eben Weihnachten.
Nein, stimmt nicht.
"Weihnachten" erst ab morgen. Denn heute, heute ist noch TrauerTag.
Der schreckenbesetzte 25. November jährt sich mit seiner ganz besonderen Bedeutung nun zum zweiten Mal.
Der Tag, an dem Jettes ganze Welt plötzlich in Trümmern lag.
An dem mal wieder eines Morgens, an dem Jette nichtsahnend aufgewacht war, die Tür aufgemacht wurde.
   
Dieses Mal aber war es Jettes Papa:
                                                                       "Die Leute reden, sie sei verunglückt........"



Die Leute haben nicht nur geredet.
Nie hat sich Jette so sehr gewünscht, dass die Leute Unrecht gehabt hätten.
Die Meute-Leute behielten Recht.
Sie war wirklich tot.
Einfach so.
Einfach so.
Keiner konnte es begreifen.
Schockstarre für dutzende von Menschen.

Jette dachte immer, so etwas passiert nur im Film.
Die Wahrheit ist, das Leben ist viel grausamer als irgendein tragischer Film.

Zwei Jahre.
Zwei ganze Jahre und Jette weiß noch immer nicht, ob sie diese Zeitspanne nun lang oder kurz finden soll.
Ist sich noch unsicher über ihr generelles Urteil.
Fakt ist, sie hat heute zu knabbern.
Sehr.
Und Jettes Therapeutin, zu der sie passenderweise laut Plan eigentlich hätte kommen dürfen, die, die hat die Grippe.
Super Timing.
Ach man.
Aber ja, Jette kriegt das auch so hin. Sie hat genug Handwerkszeug mitbekommen inzwischen.
Sie geht hin, an den Ort, an dem das Unfassbare fassbarer gemacht werden soll.
An dem das noch immer nicht so richtig gelingt.
Lässt ein Blümchen da, das morgen Früh sicher von einem feinen Eisschleier überzogen sein wird.
Steht da und..
                                heult.
Ganz so abgeschlossen ist das eben doch nicht.
Und schon gar nicht an so einem Datum.
Schon gar nicht, wenn ihr auf sämtlichen Kalenderformen diese 25-11 vor die Augen gelegt wird.
Immerhin, Jette trifft am Grab nur Freunde von ihr, nicht ihren Mann oder Sohn.
Ein Glück, dafür hätte die Kraft wohl nicht gereicht.

"The sun still rises, even with the pain" hört Jette einige Stunden später ebenfalls im Radio.
Ja, die Sonne geht immer wieder auf.
Auch wenn Jette das so einige Male ernsthaft angezweifelt hat.
Ganz provokativ hat sie heute (zusätzlich zum Schwarz) sogar ihren sonnengelben, neuen Pulli angezogen - aber so ganz geholfen hat der leider auch nicht.
Eher so überhaupt gar nicht.
Aber der Sonne ist vermutlich Jettes Pulli-Farbe auch egal.
Und Jette Psyche... auch? Oder kann die Farben sehen?
Kann sie wohl, oder?

Wie auch immer,
morgen wird die Sonne auch wieder aufgehen. Ob mit oder ohne (gelben) Pulli.
Ab morgen darf ein bisschen Weihnachten sein.
Ab morgen holt sie sich zurück, was sie zwei Jahre lang verloren hatte.
Ab morgen versucht sie wieder mehr danach zu leben, was sie ihr mitgegeben hatte:

   "Egal was du tust, Hauptsache du bist glücklich."




Montag, 18. November 2013

51.

Monster im Bauch. Oder "Ich will so werden wie ich bin"

Da sind sie wieder, die alten Bekannten. Es rumort im Bauch, im Herzen, der Seele. Irgendwo im Innersten, wo es eben rumoren kann. Sie sind (mal) wieder da: die Angstmonster.
Und sie sind gefräßig und gnadenlos.
Oh ja.
Es rumort, weil Jette Angst hat vor den nächsten Tagen. Längerfristig gesehen auch Angst vor den nächsten Wochen und Monaten, wenn sie das Pensum betrachtet, das sie für die Uni bewältigen muss, aber in erster Linie hat sie Angst vor den nächsten 14 Tagen.
Sie hat Angst, morgen zum Direktor des Instituts zu gehen und zu sagen: Ich fühle mich jede Woche wieder verletzt, wenn Sie davon ausgehen, dass alle Leute im Seminar, die nichts sagen, sich nicht zu Wort melden, unvorbereitet und oder fehl am Platze weil entweder zu dumm und oder zu faul für's Studium sind. Ich fühle mich missverstanden. Ich bin weder zu dumm noch zu faul, ich bin krank. Ich bin krank, denn ich habe Depressionen.
Ich bin krank und kämpfe seit 2 Jahren, mein Studium trotzdem auf die Reihe zu bekommen. Ich versuche mich durch die Texte zu quälen, auch wenn die Konzentrationsschwäche mir Steine in den Weg legt, wo sie nur kann. Ich versuche nicht überfordert zu sein ob der großen Seitenzahl an Gedrucktem, die da vor mir liegt. Ich versuche, auf das Seminar vorbereitet zu sein, so gut es geben geht. Ich würde gern was sagen, aber ich denke tiefer und auch langsamer als die anderen. Denn in meinem Kopf herrscht oft Denkstau. Ich würde gern was sagen, aber mein Selbstbewusstsein reicht nicht aus dazu. Ich würde gern was sagen, doch ich verkrafte es nicht, wenn meine unausreichende Antwort dann 10 Minuten lang auseinander genommen wird.
Ich bekomme jede Woche wieder das Gefühl vermittelt, ich sei nicht genug.
Ich hole mir jede Woche wieder ein blaues Auge.
Oder gar mehrere.
Aber ich bin genug.
Und ich bin sogar höchst leistungsfähig.
Denn wer trotz Depressionen aufsteht, duscht, sich schminkt und anzieht, in die Uni geht, am Vortag den Text ausgedruckt und sich zur gemeinsamen Lektüre noch mit einer Kommilitonin getroffen hat und dann einigermaßen ansprechbar und ansehnlich im Seminarraum sitzt, wer das trotz des inhärenten Monsters gepackt hat, der IST verdammt noch mal leistungsfähig. Leistungsfähig, weiterzumachen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Zu kämpfen.

Jette hat Angst, weil November ist.
Jette hat Angst, weil die November-Gefühle wieder da sind.
Jette hat Angst, weil facebook ihr verrät, dass der, dem sie seit Monaten nachweint, anscheinend mal wieder im Lande ist. Und trotzdem nicht da.
Jette hat Angst, weil es nur noch eine Woche ist, bis ihr 2. Todestag ansteht.
Jette hat Angst, weil es nur noch zwei Wochen sind, bis wieder Weihnachtsmarkt ist in ihrem Dorf.
Weil sie dieses Mal wieder dabei sein wird. Weil dieses Dabeisein Konfrontation bedeutet. Weil es bedeutet, dass Jette mal wieder kämpft. Weil sie kämpft, damit der an dieses Event gekoppelte Schrecken der Unberechenbarkeit des Todes wieder entkoppelt wird, es eine korrektive Erfahrung wird.
Weil sie das Risiko eingeht, dass wieder etwas passiert.
Dass er nicht aufhört. Der Albtraum der Angst.
Weil Jette das Risiko eingeht, Leute zu treffen, die sie aus ihrem Leben gestrichen hat. Weil sie das Risiko eingeht, der Konfrontation nicht standzuhalten. Weil..
Weil was eigentlich?
Im Moment ist doch alles gut.
Im Jetzt und hier hat sie die Dinge im Griff. Ist auf dem richtigen Kurs. Hat wichtige Helfer an ihrer Seite. Hat genug Rückendeckung, um es zu schaffen. Um konfrontationsfähig zu sein. Und vielleicht kommt sogar ihre Therapeutin. Das wäre gut. Nicht allein zu sein auf dem Schlachtfeld.
Was ihr Angst macht, sind "lediglich" die alten Gefühle. Die alten Gedanken. Die alten Ängste.
Doch das alles ist ein Zerrbild. Es scheint real zu sein und ist doch nur die Projektion der Vergangenheit, die man so schwer loswird. Die man so schwer abschütteln kann.

Samstag, 16. November 2013

50.

Ge-burts/denk/-Tag. Oder Geister der Vergangenheit.

Jette ist sehr sehr datumsfixiert. Sie weiß das, bislang hat sie es aber noch nicht geschafft, dieses Problem zu bekämpfen. Sie klammert sich zu gern im Negativen an diese Zahlen. Als würde so eine 16 oder eine 25 etwas aussagen. Eine Zahl ist Willkür. Eine Zahl allein sagt nichts aus. Aber wird eine Erinnerung an eine solche gekoppelt, dann gewinnt sie an Wirkkraft.
Heute ist also der 16. November. Oder war besser gesagt. Ist ja nahezu vorüber der Tag.
Geburtstag von Jettes "Ex" (eine treffenderes Wort gibt das Deutsche leider nicht her, aber nennen wir es der Einfachheit halber einfach "Ex").
Eine Zahl.
Ein Datum.
Und WUSCH, ein Schwall der Emotionserinnerungen rauscht auf Jette zu. Akute Ertrinkungs-Gefahr.Rettungsboote und -ringe voraus!

Sie dachte eine ganze Zeit lang, er bedeutet ihr nichts mehr.
Aber nein, da sind tatsächlich noch Gefühle.
Nein, nicht so, wie man denken könnte.
Gott bewahre.
Aber Wut. Eine ganz große Portion an Wut und Frust und Aggression und Enttäuschung ist noch immer da.
Das merkt Jette, als sie um oo.15 Uhr vom Glühwein leicht angetüddelt auf die Uhr sieht und ihr klar wird, WAS für ein Tag da gerade begonnen hat.
Das merkt Jette, als sie abends am Klavier sitzt und spielt und so froh ist, dass sie das inzwischen wieder kann. Also kognitiv-konzentrationsmäßig, vor allem aber emotionsmäßig. Dass sie Antrieb dazu hat. Dass sie irgend etwas spürt. Wieder etwas spürt.
Wie lange war das fort. Bald 2 Jahre.
Sie mag wieder gern Klavier spielen und während sie spielt, wallen die Emotionen hoch. Ein paar Tränchen wagen sich hervor. Aber nicht aus Traurigkeit, nicht aus Wehmut, nein, aus Wut.
Fast hätte sie diesen Schatz verloren - die Musik.
Beinahe hätte sie verloren, was ihr so wichtig ist.
Beinahe hätte sie SICH vollständig verloren.
Wegen ihm. Wegen all denen, die sie vorher verletzt haben. Wegen der Ungnade des Todes. Wegen dieser verdammten Krankheit.
Wegen Brutus.
Aber Jette lässt sich nicht kleinkriegen. Sie wird (sich) nicht (wieder) (fast) verlieren.
So vieles hat sie schon zurückgewonnen.
Es ist noch ein langer Weg.
Noch viele 16nen und 25en und viele Novembermonate werden kommen. Sie wird noch oft zu knabbern haben. Aber diese Zahlen werden nicht die Übermacht haben über Jettes Leben. Diese Krankheit wird es nicht. Und noch weniger wird es dieser eine Mensch, der so unglaublich undankbar war.

Mittwoch, 13. November 2013

49.

NOVEMBER. Oder "Es kommt zurück/irgendwann/holt es dich ein/irgendwann/es schleicht sich leise von hinten an"

Mit dem Schreiben ist es bei Jette wie mit dem Klavierspielen: entweder sie tut es, wenn es ihr ausgesprochen gut geht, oder sie tut es, wenn es ihr ausgesprochen schlecht geht.
Heute geht's leider letzteres.
Es ist November.
Und es ist nicht nur auf dem Kalender November -das ist es schließlich schon fast einen halben Monat lang- seit etwas mehr als einer Woche ist es auch in Jette drin wieder November.
Der verhasste Monat.
Statistisch gesehen passieren im November mehr schlimme Dinge, sagt Jettes Therapeutin. Gut zu wissen...
Es ist November und bei Jette kommt alles wieder hoch.
Heute hat sie sich unwahrscheinlich zugedröhnt gefühlt. "Auf Antidepressiva" sozusagen. Aber so fühlt sie sich normalerweise nicht. Und die 2. Sorte Tabletten nimmt sie nun auch schon einige Wochen, das lief so weit ganz gut. Heute nicht, heute fühlt sie sich wie auf Drogen. Nimmt die Reize verzerrt auf, hat ein verzögertes Reaktionsvermögen, fühlt sich wie von einer Dampfwalze überrollt. Selbst manche Bilder im TV bewegen sich zu schnell. Die beim Radfahren sowieso. Was soll das ganze Theater denn nun schon wieder?

2 Jahre lang Zeit hatten die Wunden nun zu heilen. 2 Jahre seit "November". Aber irgendwie reißen die Nähte, irgendwie blutet es wieder und eitert und entzündet sich.
2 Jahre sollten reichen, um zu begreifen, dass ein Mensch nicht mehr lebt.
2 Jahre sollten reichen, um die Aufnahmen loszulassen, die sich mit dem Tod dieses Menschen eingespeichert haben ins Bildergedächtnis.
2 Jahre sollten reichen, um Demütigungen zu vergessen, genug eigene Stärke aufzubauen, nicht immer nachzujagen, was man nicht haben kann.
2 Jahren sollten reichen, um Komplexe und Selbstzweifel abzulegen.
Die Wahrheit ist:
2 Jahre reichen nicht.
Vieles ist wieder da.
Nicht alles, dennoch zu viel.
Zu viel des alten Schmerzes. Aber der, der wird wohl vergehen, wenn die kommenden Wochen überstanden sind. Spätestens, wenn der Kalender Januar zeigt.
Jette wird kämpfen. Wird versuchen, korrektive Ereignisse zu "kreieren", damit die schlimmen übermalt werden.
Aber die Macht der Gegebenheiten ist so groß. Alte Konstellationen, alte Gefühle.
Jette schaut sich um. Hört sich um. Hört, worüber die anderen sprechen. Und fragt sich zum 100.000sten Mal, warum sie immer wieder allein ist. Warum sie immer noch allein ist. Warum es sie nie in den Status des Jemandstehtoffiziellzumir schafft. Warum sie immer auf einer Liste der außergewöhnlichen Ereignisse steht. Der Liste der besonderen Umstände, die erklären, warum sie mal kurzzeitig für jemanden von Interesse war. Und dann ziemlich schnell nicht mehr.
Fragt sich, warum es eigentlich nie um sie geht.
Wird ganz klein und farblos, als die anderen von gegenwärtigen und vergangenen Beziehungen erzählen.

Samstag, 2. November 2013

48 ***

Ein Hauch von Weihnachten. Oder Sehnen.

Gestern Abend war es ganz heimelig in der Stadt. Zwar war erst der 1. November, aber trotz des noch frühen Datums spielten alle Stadt-Akteure das (vor)weihnachtliche Spiel mit. Ein mit Lichterketten umwickelter Laubbaum (sehr schön!), Stollen in der Bäckerauslage na und in den Geschäften sieht's sowieso schon längst nach Weihnachtseinkäufen aus. Und es wird früh dunkel. Ganz schön dolle früh.
Und eins war komisch dabei: irgendwie fand Jette das ganze Szenario schön.
Ja, tatsächlich schön.
Es war dieses wehmütige Sehnen, das in der Luft lag. Ein trotzdem angenehmes.
Nach 2 Jahren vielleicht doch mal wieder ein bisschen Lust auf Weihnachten?
Fast scheint es so.
Vielleicht wieder ein kleines Stückchen Luft für Gefühle jenseits von Schmerz und Lähmung. Vielleicht ein kleines Stückchen verheilte Wunden nach der ganzen Zeit. Und doch wieder das Sehnen nach den Menschen, die nicht dabei sein werden in der heimeligen Vorweihnachtsstadt, von denen nur noch die Spuren zu finden sind.


Montag, 7. Oktober 2013

PAUSE---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Das Internet verleitet. Früher schrieb man Tagebuch. Einfach so, einfach für sich. Fand es jemand und las es, war es oft ein Desaster. Aber es war eher ein unglücklicher Fall, wenn Gedanken, deren Zuhause ein Menschenkopf ist, den Weg zu jemand anderem fanden.
Vielleicht ist ein Blog eine falsche Entscheidung. War eine falsche Entscheidung.
Anfangs hat der Blog die zwischenmenschlichen Beziehungen erleichtert, Einblicke gewährt, auf andere Art und Weise erzählt, was gesprochene Worte nicht vermochten.
Aber vielleicht ist es Zeit, mindestens für eine gewisse Weile, zum Tagebuch zurückzukehren. Nicht jedem Einblick zu gewähren.
Denn so ein Gedankeneinblick kann auch ein Keil für die eh schon natürlich wachsende Kluft sein, die Brutus verursacht. Er frisst sich durch. Und frisst und frisst. Und alles wird dadurch schwieriger, Jette entfernt sich immer mehr von ihrem Umfeld. Und fühlt sich immer alleiner.
Irgendwann wird das auch wieder aufhören. Irgendwann.
Aber im Moment machen die inneren Einblicke alles nur noch schlimmer. Es kann sie keiner verstehen, denn jeder steckt nur in seiner eigenen Haut. Es wäre zu viel verlangt, das zu erwarten und es ist womöglich auch unmöglich. Alle meinen es gut, aber tatsächlich kann keiner helfen.
Vielleicht die Zeit und vielleicht Jette sich selbst. Irgendwann.
Manchmal muss man einfach bestimmte Sachen aufgeben, wenn die Umstände einfach nicht passen.
Und für viele Freundschaften passen sie grad nicht, für das Verständnis passen sie auch nicht.

Mit dem Blogschreiben ist es wie mit einem Problem, das man in einer Selbsthilfegruppe äußert. Wenn man es über die Lippen gebracht hat, dann muss man damit rechnen, dass man von allen Seiten Meinungen hört und sie auf einen einprasseln, sodass man sich gar nicht zu retten weiß und am Ende gar nicht mehr denken oder fühlen oder entscheiden kann. Klar, die Verantwortung für das, was man preisgibt, trägt man immer selbst. Aber vielleicht gibt man zu viel preis.

Es ist an der Zeit für die Stopptaste.
Für eine Pause.
Oder für ein Ende?
Das wird sich zeigen.
Die Zeit wird es zeigen.
Für's erste jedenfalls Schreibstille (öffentliche ~).
"Es ist besser so"...

Einblicke provozieren Reaktionen. Provozieren quasi gute Ratschläge. Oder gut gemeinte.
Aber Jette kann nicht. Und will nicht. Sie nicht hören und sie nicht annehmen.
Denn nur sie steckt in ihrer Haut.
Und jeder andere nur in seiner.
Und was sie fühlt, fühlt nur sie.
Und wie soll das jemand anderes verstehen?

Jette wird jetzt (vorerst?) wieder zurückkehren.
Zum guten alten Tagebuch.
Für sich.
Und das aussitzen.
Mit sich.
Und für sich.

also

PAUSE. ----------------------------------------------------------------------------

Samstag, 5. Oktober 2013

siebenundvierzig

Friseupeutin. Oder "Verrückt nach dir"

Der Termin stand, also hat sie sich endlich mal überwunden - und ist zum Frisör gegangen. Das mag seltsam anmuten, aber für Jette ist dieser Gang wie  für andere der zum Zahnarzt. Oder schlimmeres.
Spiegel. Ganz groß. Vor ihr. Ganz nah. Und für ganz lange.
Schrecklich. Ein Albtraum.
Wie soll man nur 2 Stunden lang an sich selbst vorbeigucken?
Wie nur?
Aber die Friseurin war keine dumme. Die hat gemerkt, da ist was im Busch.
Ohjee.
Jette kann sich aber auch einfach nicht verstellen.
Nein, sie hatte überhaupt keine Lust, dahin zu gehen. Ging ihr eh schon scheiße und sich dann noch für viel zu lang dem eigenen Spiegelbild aussetzen. Das muss ja förmlich die Stimmung noch um einiges heben. Oder eben auch nicht.
Aber nein, die Friseurin war auch gut im Beobachten. Klar, sie hat ja auch tagtäglich mit Menschen zu tun.
So hat sie Jette geknackt. Mit etwas Mühe, aber doch, immerhin. Als völlig Fremde hat sie das ziemlich fix ziemlich gut hinbekommen und rausgekriegt, dass Jettes Gesichtsausdruck nichts, aber auch gar nichts mit persönlichen Aversionen oder sonstigem zu tun hatte. Sondern schlicht und einfach mit ihr selbst.
Danach wird's besser. Nach der Aufklärungsrunde. Das Eis ist gebrochen und mal wieder zeigt sich der leichte Anflug der alltagstherapeutischen Tätigkeit von Haarschneidekünstlern.
Eigentlich hasst Jette es, in solche Gespräche verwickelt zu werden. Der Schutzpanzer muss ja schließlich immer schön dick bleiben. Nein, nein, immer schön die Distanz einhalten. Immer schön die Contenance bewahren....
Blabla.
Aber aus Mangel an sonstigen sozialen Kontakten, aufgrund von akuter Einsamkeit und den ersten Tränchen in den Augen lässt sich Jette einwickeln. Oder eher aus-?
Eher auswickeln vermutlich.
Wie ein blödes Geschenk.
Was solls, bei der Gemütslage ist mal wieder alles erlaubt, was hilft. Also auch pseudo-therapeutische Gespräche mit Friseuren. Warum nicht...

Krönender Abschluss des Tages: "Verrückt nach dir" im TV. Juhu.
So ziemlich der erste Film, der Jette einfällt, wenn sie an ihre eigene Misere denkt. Treffer, das Abendprogramm ist gesichert.
Schön, so eine Vor-Augen-führ-Therapie.
Fernbeziehungen sind kacke. Funktionieren nicht. Und machen krank.
Gut, dass Jette das zum x-ten Mal bewusst gemacht wurde.
Es hätte sowieso nicht funktioniert.
No way.
Heulen kann sie deswegen trotzdem.
Scheiß Welt.

Freitag, 4. Oktober 2013

6&40

"Heart skipped a beat/ and when I caught it/ you were out of reach/ but I'm sure, I'm sure/ you've heard it before". Oder "Was heute blöd war"

Jette hat mal wieder Hausaufgaben bekommen von ihrer Therapeutin. Soll am Ende eines jeden Tags ein kurzes Resümee verfassen, ganz im Stile vom kindlichen "Was heute blöd war - was heute gut war". Na gut, Feedback ist ja immer wichtig, also spielt sie halt mit. Jeden Abend einen albernen Eintrag ins Notizbuch. Das bricht ihr nun auch keinen Zacken mehr aus dem verrutschten Krönchen.
Was heute gut war: hm... durchgeschlafen! Das zweite Mal schon! Die zusätzlichen Tabletten scheinen zu helfen. Aber.. das war's dann auch schon so ziemlich. Vielleicht noch das Telefonat mit der Familie dazu, das war auch ganz erfolgreich. Aber ansonsten... gibt's nichts zu sagen zu diesem Tag.
Was heute blöd war: " ...der Rest." Steht da so im Büchlein. Wortwörtlich. Inklusive Punkt am Ende.
Was soll sie auch konkretisieren.
Leben im Sparmodus, das betreibt sie gerade.
Oder im Funktionsmodus. Weiter funktionieren nämlich.
So bestand der Tag nur aus einem Arztbesuch, schlafen auf der Couch, Unitexte lesen, essen und..genau, nichts weiter.
"Schade, dass es Sie da jetzt so von den Beinen gerissen hat. Sie sollten doch jetzt so viel erleben".
Tja, ganz unrecht hatte er da wohl nicht, der gute Psychiater.
Und?
Woher nehmen, wenn nicht stehlen?
Jette steht nicht der Sinn nach großen sozialen Experimenten. Nach "Ohhh, ganz viele tolle neue Leute kennenlernen!". Nach Smalltalk und Reizen und.. nach gar nix.
Sie will ihre Sachen am Laufen halten so gut es geht, sich so wenig wie möglich unterkriegen lassen, so gut wie möglich irgendwie durchhalten. Bis... ja, bis was eigentlich?
Es eines Tages klingelt und das Leben wieder vor der Tür steht?
"Hej, sorry, hab mich etwas verspätet, aber bin wieder zurück. Wir können jetzt weitermachen, wo wir aufhören mussten vor ein paar Jahren...."
Erbärmlich irgendwie.
Dabei schafft sie es bestimmt bald, sich erfolgreich einzureden, dass das so jetzt alle seine Richtigkeit hat. Dass sie ja schon ganz alt und ganz erwachsen ist und dass sie dieses bekloppte, krampfhafte Spaßhaben gar nicht braucht, sie sowieso mit der ganzen feiernden, oberflächlichen Meute nichts mehr am Hut hat, sie nicht mal mehr Lust auf Bier oder Wein hat und sie sowieso in einer ganz anderen Welt lebt.
Dass sie zu einer Art von outcasts gehört, dass sie einfach nicht gemacht ist für das Standardleben, für die sogenannte Norm-alität, für den ganzen Beziehungsquatsch, der ihr eh total fremd ist, für... das alles da draußen vor den verdreckten Fenstern.
Was hat sie schon damit zu tun?
Eben.
Gar nichts.
Das Gefühl sagt das schon mal.
Der Kopf erhebt (noch) die letzten Einwände...
Trotzdem richtet sie sich ein, in der Sparmodus-Welt.
Wenn die Kraft nicht mehr reicht zum Anklagen, zum Protestieren und Aufbäumen, bleibt wohl nur die Resignation. Dort zieht man dann ein, um den Winter zu überstehen. Im Sparmodus.

Donnerstag, 3. Oktober 2013

45

Die 5 Phasen des Trauerns. Oder Anderthalb. 

Irgendwann in der Oberstufe der Schule hat Jette mal etwas von Elisabeth Kübler-Ross und den 5 Phasen des Sterbens gelernt. Dieser Prozess ist natürlich auch ein Trauerprozess, ein Prozess des Abschieds. Kein Wunder also, dass dieses Modell Jette wieder in den Kopf gekommen ist vor ein paar Tagen.
Phase 1: Nichtwahrhabenwollen, emotionale Starre, Entsetzen.
Phase 2: Niedergeschlagenheit, Angst und auch Wut (wahlweise Neid).

Achso.
Also immer noch Phase 1,5 momentan.
Jette fühlt sich leer und allein. Geht als es dunkel ist doch noch mal kurz vor die Tür, schlurft durch die Straßen. Luert in die beleuchteten Heime. Wohnungen gucken ist schön. In einer sieht es aus wie Weihnachten. Nett eigentlich. Ganz harmonisch-idyllisch-ideal, wie die glückliche Familie aus der IKEA-Werbung. Mehrere Erwachsene, ein kleines Kind, Kerzenleuchter an der Decke, Lichterkette am Brettregal aufgehängt. .
Würde es nicht weh tun, wäre der Anblick wohl ganz anrührend.
Bald kommt dieses Elend auch wieder. Brrrr. Weihnachten. Aufgesetzte Sentimentalitäten.
Jette zieht die Füße durch die trockenen Blätter auf dem Bürgersteig. Herbst. Da unten im Süden noch Sommer und eine ganz andere Welt. Sie hier und allein.
So viel hat sie heute geschafft, in der Wohnung. Möbel umgestellt, alles schöner gemacht.  Ein bisschen Neuanfang. Aber trotzdem, was bleibt ist

Phase 1,5: dumpfe Niedergeschlagenheit, neidisches Nichtwahrhabenwollen, emotionale Starre.

Montag, 30. September 2013

IVuIVzig

Durcheinander-Tag. Oder Verlorene Jahre.

Fünf unterschiedliche medizinisch-therapeutische-Berufshelfer an einem Tag zu besuchen, ist eine ganze Menge. Kann und sollte unter Umständen eine Menge helfen. Kann aber auch eine ganz schöne Strapaze für so einen stressanfälligen Menschen sein. Spontan krank? Oh, na dann schnell noch da hin und dorthin, und zack, alle Ampeln rot und zu spät gekommen zur Therapie. "Ach, Sie kommen doch noch.". Ups. Ja, natürlich kommt Jette noch. Mist. Aber das konnte sie ja nicht ahnen, dass das mal wieder jetten-typisch-chaotisch laufen würde. Dann aber läuft's gut. Therapie-Krise wieder behoben. Die 10. oder so. Aber wächst so eine "Beziehung" nicht mit all ihren Hürden? Jette ist ein Dickkopf, ja. Und trotzig. Und...ganz viel. Aber ihre Therapeutin kann auch anstrengend sein. Ist ja auch nur ein Mensch. Und da kann's schon mal kriseln...Immerhin, für's erste ist zwischen den beiden erst mal alles wieder gut und sie haben sich lieb. Wichtig. Nicht noch mehr Stress.
Jette war auch das erste Mal beim Psychiater heute. Weil das so nicht weiter ging. Pillen gegen ein gebrochenes Herz holen sozusagen.
So ähnlich..
Trotzdem, noch jemand, der sich Zeit nimmt für ihre Sorgen. Ohne sie in wenigen Minuten abzuspeisen. Viel wert. Und nun also noch mehr Tabletten. Ohne Bauchschmerzen sieht Jette das nicht. Lebhaft erinnert sie sich noch an den Wechsel vom 1. zum 2. Antidepressivum - es war die Hölle. Sie konnte quasi die Uhr stellen, jeden Tag zur in etwa selben Zeit ging gar nichts mehr damals. Weltuntergang, nur noch alles Traurige, Schwere und Trostlose im Kopf. Die erste Weile zumindest. Irgendwann hat das aufgehört.
Bitte lass es dieses Mal nicht wieder so schlimm werden: Jette hat eine regelrechte Angst vor den Heulattacken entwickelt. Folter. Wiederholte. Aber vielleicht geht es ja auch gut und sie hat einfach weniger Beschwerden und alles wird gar nicht so dramatisch.
Abwarten, wird sich zeigen. Insgesamt jedenfalls ganz okay der Tag, recht erfolgreich.
Eins hat Jette trotzdem traurig gestimmt. Ein Zitat des Facharztes: "Schade, dass es Sie da so von den Beinen gerissen hat, Sie sollten doch gerade jetzt viel mitnehmen, viel auskosten". So oder so ähnlich. Inhaltlich hat er das jedenfalls gesagt. Traurig. Ja, wenn man jung ist dann... soll doch alles ganz toll sein und soll man ganz viel machen und ganz viel leben und ganz viel sehen und ganz viel ganz viel machen.
Nö, Jette nicht. Vielleicht kann sie das später.
Kriegt sie die verlorene Zeit aus der Jugend irgendwann zurück?
Kann sie ab irgendeinem Punkt noch aufholen, was sie jetzt versäumt? Oder muss sie später immer den vergebenen Jahren hinterhertrauern?

Freitag, 27. September 2013

43..... . . . . . . .

Unausgelöscht. Oder Die zweiseitige Medaille.

"Geh doch mal raus, lenk dich ab, du musst unter Leute. Hab einfach Spaß!", wie oft hört Jette diesen Satz. Meistens mag sie nicht. Fühlt sie sich unwohl in der Menge. Gemustert. Und oder bewertet. Und oder fehlplatziert. Und oder zu erschöpft und traurig und ab- obwohl anwesend.
Manchmal tut sie es dann doch. Rausgehen. Unter Leute. Ein bisschen Leben mitspielen. Ein bisschen ablenken.
Wenn sie es erst mal tut, dann bereut sie es meistens nicht. WENN denn der Aufraffungsprozess erst einmal stattgefunden hat, dann ist es gar nicht mal so übel. Oder zumindest mal eine Bremse für das Gedankenmonster. Wwwwwwwwuuu....
Doch diese Medaille hat, wie jede, zwei Seiten.
Seite eins ist positiv. Sozialer Kontakt, Gesellschaft, neues Input.
Moment,
da ist sie schon.
Seite zwei.
Neues Input.
Neue Reize.
Viele Reize.
Und, worüber unterhalten die da drüben sich? Achsoo, über ihre Beziehungen. Na gut. Wer will schon von seinem Freund in den Arm genommen werden. Nee, stimmt, würde Jette auch nicht wollen.
Luxusprobleme.
Zwei in natura Pärchen ein Tischchen weiter. Ja, na gut, was solls. Sticht halt.
Sticht eh immer.
Auch schon fast egal.
Schlimmer wirds beim inhaltlichen Input Jettes Gesprächspartner.
"Und bei dem letzten Fest...."
Ohhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh nein. NEIN. NEIN. NEIN.
JEDES, aber auch JEDES verdammte Mal ist wieder die Rede davon. Das Ereignis des Jahrtausends, so scheint es.
Ist das ständige Hervorkramen alter Geschichten nicht auch ein Armutszeugnis? Zeigt es nicht auf, dass nichts neues, erwähnenswertes passiert?
Und jedes, aber auch JEDES verdammte Mal ist wieder die Rede von der Person die Jette grad am meisten vermisst.
Und die am unerreichbarsten ist.
Jedes, aber auch JEDES verdammte Mal fällt wieder sein Name. Und noch mehrere Sätze über ihn hinten dran.

Genau DAS ist das Problem.
Daten lassen sich löschen. Nachrichten auch. Telefonnummern usw.
Kontakte lassen sich abbrechen.
Erinnerungen verblassen. Irgendwann vielleicht, auch wenn die meisten nie verschwinden oder eben auch nur verdrängt werden.
Aber: solange es Menschen gibt, die diese eine Person, die man irgendwie loslassen muss, kennen. Die gemeinsame Erlebnisse mit dieser Person teilen, Geschichten über sie zu erzählen haben,
solange
LÄSST sich die Person nicht löschen.
Sie löst sich nicht auf.
Lässt sich nicht ausblenden.
Sie ist DA, ohne da zu sein.
Und das macht's umso schwerer.
Jette kann sich noch so abmühen, er lässt sich nicht einfach aus der Welt streichen.
-Und das lassen Sie sich gefallen? Wieso sagen Sie nicht einfach, dass das Gesprächsthema gewechselt werden soll bitte?
Frau M liegt Jette schon wieder als leise Stimme in den Ohren.
Sie hat ja Recht.
Nach ein paar Minuten fasst sich Jette also ein Herz:
"Können wir bitte über wen anders reden?"
-"Ja, können wir".
Während sie das fragt, kann sie aber nicht hinauf schauen zu den anderen.  Das packt sie nicht.
Spätestens jetzt haben sie es sowieso gecheckt, vermutlich aber auch früher, ganz blöd sind die ja auch nicht...
Ob sie es wissen oder nicht, das ist ja eigentlich total egal. Das muss nicht geheim bleiben.
Jette hat keinen Geheimhaltungspakt unterschrieben oder sich der Schweigepflicht unterworfen.
Sollen die anderen es eben mitkriegen. Na und?
Dann kriegen sie halt was mit von Jettes Gefühlen. Na und?
Sie kann das nicht mehr, immer schön die Contenance bewahren, immer so tun, als wär nix. Immer sich selbst verleugnen und das, was eigentlich in ihr vorgeht.
Sie hat das gute Recht traurig zu sein.
Und die anderen haben das gute Recht auf Stoff zum Tratschen.
Na und?
Aber warum durften die anderen eigentlich so viel Zeit mit ihm verbringen und Jette nicht?

Mittwoch, 25. September 2013

2nvierzig

Verlorener Tag die zweite. Oder Berg- (mit-Vorhänge-zu-Licht-aus-und-Kühlschrank-leer-)Fest.

Schon wieder ein Mittwoch, wieder ein Mittwoch, an dem der weiteste Weg der in die Küche war, an dem die Sonne via Fenstertextilien draußen ausgesperrt wurde (oder hat sie eigentlich heute geschienen?), wieder ein Tag, an dem Jette rumläuft wie ein Gespenst, sich nicht anzieht, nicht rausgeht, nichts in "der Welt da draußen" erledigt, abgesehen von den Dingen, die man via Laptop tun kann, und da finden sich wenigstens noch ein paar...Weder war sie einkaufen noch hat sie sonst etwas von der To-do-Liste erledigt, was man nun mal nicht übers Internet bearbeiten kann. Die Waschmaschine mit ein und derselben Wäsche hat sie seit gestern nun das 2. Mal angestellt, der Kram mufft viel zu schnell. Und innerhalb der 24 Stunden hat sie es irgendwie mal wieder nicht auf die Reihe gekriegt, ihre Sachen auf dem Ständer aufzufädeln... Immerhin bleibt ihr ein 3. Waschgang erspart. Der Wäsche. Nicht Jette. Kurz kann sie sich aufraffen und findet den Weg die Treppe hinauf.
Hunger hat sie mal wieder keinen, auf jeden Fall keinen Appetit. Der Blutzuckerspiegel hätte aber gern etwas Treibstoff. Wäre sie mal einkaufen gegangen...
Aber sie ist so müde. So Erschöpfungs-Traurigkeits-müde. So, als wenn man krank ist und sich gesund schlafen muss. Ob das aber in diesem Fall funktioniert? Immerhin hat sie keine Grippe. Ihre Krankheit ist groß und haarig und schwarz. Und sabbert und knurrt und beißt und reißt und zerrt und plärrt.
Auf der Lebensuhr leuchtet heute mal wieder die rote Warnlampe: Einen Tag Lebenszeit verschenkt! Einen Tag Lebenszeit verschenkt Jette! Und du kriegst ihn nicht zurück.
Jaja. Ist ja richtig. Aber.. sie ist doch so k.o. und...überhaupt...
Gegen Abend wird Brutus müde und ein wenig vom Ehrgeiz abgelöst. Ein kleines bisschen arbeiten noch, mindestens das. Für's Gewissen. Und dann.. weiterschlafen. Umziehen und bewegen fällt ja schon mal weg, Schutzbunker war ja eh den ganzen Tag das Bett......

Dienstag, 24. September 2013

einundvierzig-----

"And the hardest part/ was letting go/ not taking part/ Was the hardest part".
Oder Vernunftstrich.

Gestern glaubte Jette, die Kraft zu haben, um zu tun, was ihr Kopf ihr sagt. Um zu tun, was sie schon über 2 Wochen vor sich herschiebt. Oder länger. Alles an Kraft und Überwindung und Mut zusammenzukratzen, um sich "zu befreien" von ihrer Strohhalm-Klammerei und dem selbstzerstörerischen Hoffen und Warten und Zittern und nicht wissen, wann es denn nun eigentlich vorbei ist.
Er ist ein guter, das steht außer Frage. Sie musste handeln, das auch.
Jette hat sich gequält, tagelang, stundenlang geheult, gehadert und sich gewehrt und hoffentlich bringt nun die Entscheidung loszulassen Erleichterung. Sie hasst es so, Leute aufzugeben, Kontakt abzubrechen. Aber es ging nicht anders. Und sie kann nicht immer nachjagen, was sie nicht haben kann (mindestens "jetzt nicht haben kann"), kann nicht immer in der Vergangenheit leben und dabei das Hier verpassen. Kann sich nicht immer foltern, mit spärlichen Hoffnungen, kann sich weder den psychischen noch den dadurch bedingten physischen Schmerzen aussetzen. Es musste einfach sein. Sie hat gehandelt, er akzeptiert. Keine Nachrichten mehr. 
Und was kommt jetzt? Wird's jetzt besser? Werden so herzrausreißende Aktionen wenigstens mit etwas Lebensmut belohnt?
Ist es das, was es bedeutet, "erwachsen zu sein". Aufzuhören, wenn es Zeit ist?
Jette fragt sich immer, warum andere Leute solche Striche scheinbar nicht ziehen müssen. Die dürfen lieben, wen sie lieben. Dürfen artikulieren, was sie artikulieren müssen. Und Zeit haben, wo Zeit Not tut. Er ist da, permanent, dieser Futterneid, Lebensneid, Liebesneid. Ein ständiges Links- und Rechtsgucken. Alle dürfen. Alle...alle...Jette darf nicht. Sie hat nur das Messer in ihrer Brust und das mitgenommene Stofftier darüber, um den Schmerz aufzusaugen.



Samstag, 21. September 2013

4zig.

'Where we've got holes in our hearts, yeah we've got holes in our lives. Where we've got holes, we've got holes but we carry on.' Oder Frewillige Veränderung hilft.

Löcher im Herzen, Löcher im Leben. Und trotzdem weitermachen. Danke Passenger. Du singst das so sanft dahin und triffst es doch auf den Punkt, denkt sich Jette. Irgendwie ist es komisch. Die Hülle funktioniert und der Kern möchte den ganzen Tag nur heulen und schreien. Aber irgendwie kann sie gar nicht so richtig. Erst, wenn sie richtig runtergefahren ist. Am besten, wenn sie eigentlich schlafen sollte. Dann kommen die schmerzhaften Fieslinge unerschrocken aus der dunklen Ecke gesprungen und fallen Jette an und "verbringen dann mit ihr die Nacht". Wann hört das denn auf? Es muss doch aufhören. Das geht doch so nicht. Sie geht doch so kaputt. Wie soll sie das denn schaffen?
Jette hat sich so ein dämliches Buch gekauft. "Liebeskummer überwinden in 4 Wochen". Ja, peinlich. Und ja, es ist genauso, wie es klingt. Schrottig. Es ist von einer Therapeutin geschrieben und Jettes hatte ihr gesagt, sie soll doch einfach mal googeln, was man als Mittel gegen Liebeskummer im Netz so findet. Na schönen Dank auch.......
Jedenfalls eine Fehlinvestition. Das Problem ist aber wahrscheinlich nicht mal, dass da irgendwelche netten Ideen mit Mantras und Farben drin stehen, sondern dass ständig vom "Ende der Beziehung" gesprochen wird. Grund genug, das Ding aus dem Fenster zu werfen. Es gibt keine Beziehung. Es gab auch keine. Es gibt auch nicht die ganzen negativen Antworten auf irgendwelche vielsagenden Therapeuten-Fragen. Es gibt gar nix. Doch, gut, den Trennungsschmerz gibt es. Aber Jette.. Jette fällt mal wieder aus der Norm raus.
Schreibt denn keiner "Liebeskummer auch ohne Beziehungsende-Bücher"? Klar, Jette ist wieder anders als die anderen. Ist ja ganz was neues.
Erstaunlich, wie frustrierend sogar so ein eigentlich hilfreich angedachtes Buch sein kann.
Jedenfalls stand in dem ollen Ding auch etwas klitzekleines eventuell doch nützliches: die Ernährung spielt bei der Überwindung von Liebeskummer eine Rolle. Magnesium ist gut, Omega-3 ist gut, Vitamine sowieso. Also knallt sich Jette das ganze Zeug jetzt rein. Ih, Fischöl-Kapseln, von denen man stundenlang aufstößt. Jette HASST Fisch. Aber wenn es dem Herzen davon tatsächlich besser gehen würde? Wenn nur der Schmerz nachlässt? Dafür nimmt sie den Geschmack in Kauf.
Warum kann sie also funktionieren? Liegt es an den Ergänzungspräparaten? Oder was ist das los eigentlich, im Hause Jette? Sie hat keine Ahnung. Versteht sich selbst nicht. Alles ist so seltsam. Die Zeit rast durch, phasenweise ist es, als wäre gar nichts und dann zack, rumms, kommt alles wieder hoch. Frei nach Lust und Laune.
Sie muss es ihm immer noch schreiben. Dass sie nicht mehr schreibt. Aber sie packt es einfach nicht. Sie kann das nicht.
Eigentlich spielt es keine Rolle. Eigentlich ist es genau wie jetzt auch schon. Jetzt hört und sieht sie ja auch nichts von ihm.
Was aber anders sein wird, ist die Endgültigkeit.
Es ist wie wenn ein Mensch über lange Zeit krank ist und sich abzeichnet, dass er bald gehen muss.
Man weiß es und das Leben ist doch nicht mehr so, wie es vorher war. Man weiß, der Abschied kommt und dann ist alles anders, dann gibt es kein Zurück mehr. Aber solang derjenige noch da ist, fehlt die Endgültigkeit. Die stellt sich erst ein, wenn es endlich wirklich endgültig ist. Mit dem Ende.
Wenn sie jetzt sagt, sie bricht den Kontakt ab, dann und ja erst wirklich dann ist es vorbei. Jetzt ist es eine Schreibpause, dann aber ist es das Schreibende.
Und Jette hasst Enden.
Und Fischgeschmack. Auch, wenn der das Ende vielleicht erleichtern sollte.


Mittwoch, 11. September 2013

39--

Ein (fast) verlorener Tag. Oder "Mindestens einmal vor die Tür"

Heute war mit Abstand seit langem mal wieder Jettes absoluter Tiefpunkt erreicht. Der Tagesablauf sah ungefähr so: aufwachen mittags, kurz aufstehen, was essen, anfangen zu arbeiten, nach einer Stunde war da aber irgendwie Ende im Gelände, Jette schon wieder so todmüde. Was solls, zurück ins Bett. Keine Termine, keiner da, fällt ja eh keinem auf, ob sie jetzt aus ihrer Höhle kriecht oder nicht. Na gut, abgesehen von dem Anrufer irgendwann zu früh morgens, den sie einfach mal ignoriert hat. Und ja, ihr eigener Grundsatz ist "Mindestens einmal am Tag vor die Tür". Scheißegal, geht nicht. Zu kaputt. Zurück ins Bett also, bis zum späten Nachmittag. Essen machen, los, jetzt komm schon. Und wenigstens duschen. Spätestens bei der dritten Sorte Haar-Kiki würde Jette am liebsten diese Aktion abbrechen. Wie, jetzt auch noch anziehen und am besten noch föhnen? Nee. Bei aller Liebe, das ist nicht drin. Und eigentlich muss sie ja auch nocht "mindestens einmal am Tag vor die Tür"...

Was ist denn nur los, warum gerade heute dieser Zusammenbruch? Nachwehen vom Wochenende? Begründet wären sie. Aber warum jetzt? Hat sie sich am Montag und Dienstag schon wieder übernommen? Zu viel gearbeitet, zu viel gewollt? Schlägt das Herz zu? Ist es das, was sie so lähmt?

Also duschen, na gut, auch noch was anziehen. Rettet zwar auch nichts, wenn sie so in den Spiegel guckt, aber okay. Dann Umzug aufs Sofa. Immerhin einmal die Lokalität wechseln - zum rumvegetieren. Fernseher an. Kann man sich zumindest das Gefühl von Gesellschaft einbilden. Da reden ja ne Menge Leute (wenn auch eigentlich nicht mit dem geneigten Zuschauer vor der Flimmerkiste, aber auch das.. kann man ja mal ignorieren). Nach etwa 2 Stunden Wohnungsvermittlungen und misslungenen TV-Kochkünsten hebt sich Jettes Stimmung etwas. Einen Baby-Schritt weiter ist sie damit. --"Mindestens einmal am Tag vor die Tür"--Und irgendwann kommt der Ehrgeiz gegen Abend unter der Decke vorgekrochen: "Komm schon, lass dich von Brutus und deinem kaputten Herzen nicht völlig ausbremsen! Du bist doch schon so weit, du kriegst die Arbeit heute fertig!". - Und du musst auch noch "-,,-"
Aber so einfach ist das nicht. Jette kann noch nicht. Dann tut sie, was sie immer tut, wenn es ganz schlecht um sie steht. Macht ihren pseudo-wissenden pseudo-esoterischen Kram. Ein bisschen Räucherstäbchen hier, ein bisschen Kräuterbalsam da, ein paar Atem- und Rumroll-Übungen. Mensch Yoga-Matte, dich gibts ja auch noch!
Seltsam, diese Mini-Rituale macht sie wirklich selten. Und dass sie gerade darauf zurückgreift, wenn sonst fast nix mehr geht, erstaunt Jette eigentlich selbst. Aber wie war das, alles, was hilft, ist erlaubt.
Okay.
Und: sie muss ja noch "mindestens einmal am Tag...." ihr wisst schon.
Zu dem Möchtegern-fernöstlichen Kram noch ein bisschen Musik machen und dann... sitzt Jette immerhin schon mit Büchern und Sitzkissen auf der Yogamatte. Und starrt auf den Laptop und fragt sich, ob SIE das tatsächlich da geschrieben hat. Findet einfach keinen Zugang zu ihrem eigenen Text. Mist.
Nächste Maßnahme: Fernseher aus. So kann man auch unter besseren gesundheitlichen Umständen nicht vernünftig arbeiten. Und zurück an den Schreibtisch.
Irgendwann gehts dann los. Der Text wird langsam wieder ihr Freund. So, dann aber ne Pause jetzt. Schließlich muss sie ja .... Richtig. Raus jetzt. Regenjacke an. Beutel schnappen. Ab zum Supermarkt. Halb 12, optimale Zeit dafür. Großartige Erfindung für Leute wie Jette, dieses 24-Stunden-lang-geöffnet-haben.
Sie geht tatsächlich los. Kauft erstaunlich günstig ein (kostet es kurz vor Tagesende etwa weniger?....) und erfüllt ihre Mission noch: "mindestens einmal am Tag vor die Tür". Jepp, hat sie geschafft. Kaum zu glauben. Immerhin kann sie jetzt was essen beim Arbeiten. Hilft ungemein. Der Kopf erbarmt sich, die Zeilen fließen langsam. So, noch ein paar Zeilen Fazit und Schluss. Das schlimmste ist vorüber. Der Rest sind nur noch kleine Korrekturen und eine Bibliographie. Sollte machbar sein.
Fein, doch noch was geschafft. Nicht den kompletten Tag vergeudet.
Zeit fürs Bett, Zeit noch für die Tabletten.
Und dann, ganz am Ende, da versteht sie plötzlich die Welt:
die TABLETTEN! Natürlich! Beim "Dienstag" sind sie noch drin............
DAS erklärt einiges. Kein Wunder, sie war heute auf Hardcore-Entzug und hat es nicht mal gewusst. Jetzt macht zumindest alles Sinn. Warum es heute noch mal um Längen schlechter war als schon die letzte schlechte Woche über.
Nur andererseits: Okay, es ging ihr wirklich nicht gut und die Lähmung war groß. Aber: sie hat heute Nacht noch ein paar Stunden gearbeitet, hat noch was geschafft.
OHNE die Tabletten (auch wenn sie das ja nicht wusste).
Was heißt das jetzt also? Dass es letztlich doch ohne sie ginge? Wenn nur die erste schlimme Phase überstanden ist? Dazu muss sie unbedingt Frau M befragen. Das wird eine spannende Studie...
Aber ganz so experimentierfreudig ist Jette dann auch nicht. Aus Versehen Testergebnisse generieren, schön und gut. Aber freiwillig? Nein danke. Also brav die heutige Dosis geschluckt. Vielleicht wird morgen dann auch weniger schrecklich.

Dienstag, 10. September 2013

achtndreißich

Entscheidung. Oder Die Late-Line-Hilfe.

Es ist mal wieder irgendwas nach 12 und im Radio läuft mal wieder die Sendung, die Jette schon so einige Male aufgewühlt, aufgerüttelt, aufgeweckt hat. Da sitzt wieder dieser Mensch am Mikro, der 2 Semester Psychologie studiert hat und dem man das einfach soooo anmerkt. Jedenfalls sind seine Kommentare therapeutisch, seine Bemerkungen realistisch und lebensnah. LateLine also.
Heute: freie Themenwahl. Es meldet sich eine Frau, die über Beziehungen und Sex-Beziehungen sprechen will. Na wundervoll. Und irgendwann kommt dann die entscheidende Stelle. Es geht um die Kiste, wenn sich einer verliebt, der andere aber nicht. X will ne Beziehung, Y nicht. Meinung des Moderators und so verdammt wahr: wenn Y weiß, dass X sich in sie oder ihn verliebt hat, dann steht Y in der Pflicht, die Sache zu beenden. Um den anderen zu schützen, um nicht zuzulassen, dass er oder sie sich immer und immer wieder und immer und immer fort Hoffnungen macht. Der oder die andere könnte sich ja doch noch verlieben und............................
Nein. Kein und.
X jagt etwas nach, was X nicht bekommen kann. Und X hat nicht die Kraft, den Kontakt abzubrechen, viel mehr noch, es ist Ys Verantwortung, dies X zuliebe zu tun.
Und wenn Y das nicht macht? Wenn Y weiter den Kontakt aufrecht erhält? Weiter den "Kontakt pflegt"?
Dann kann Y nicht loslassen. Dann hat Y Angst, allein zu sein, auf etwas zu verzichten und dann handelt Y ganz schön egoistisch. Hält sich noch irgendetwas sinnlos warm. Und das unter Umständen auch noch über eine Distanz von ein paar tausend Kilometern.....

So. Das hat die Erleuchtung gebracht. Diese wenigen Minuten im Radio. Jette wusste, dass sie eine Entscheidung treffen muss. Bald. Nicht sofort, aber bald. Bald genug, als dass sie nicht so richtig vor die Hunde geht. Denn das tut sie gerade. "Du siehst aber nicht gut aus..." . Ja, und genau so oder sogar noch viel schlimmer fühlt sie sich. Nicht mal zu facebook wagt sich Jette. Will gar nix mitbekommen, gar nix sehen, was ihr wehtun könnte. Kopf in den Sand, Jette ist gar nicht da.
Nein, Jette gehts auch nicht schlecht. Solang sie ihren Kram regelt, sich mit der Beantwortung von Mails, mit Überweisungen, mit Post und Unterlagen ablenkt und alles irgendwie am Laufen hält, kann sie nicht heulen. Und bewahrt schön die Contenance.
Und wenn der Kopf einen Moment zur Ruhe kommt, dann gehen die Heulserenaden wieder los und wollen nicht aufhören. Und der Schmerz will auch nicht aufhören und soll einfach nur fort sein.
Momentelang glaubt Jette, schon wieder mit einem Bein in der Abwärtsspirale zu stecken. In der richtigen. In der kleinen ist sie ja sowieso schon wieder lang drin.
Überall sieht sie nur noch Pärchen, gegenüber, beim anderen gegenüber auch, sie wohnt mit einem zusammen und generell ist jeder in ner Beziehung.
Jette Komplexe gehen wieder los, sie fühlt sich schrecklich unwohl zwischen den Menschen, die in der Stadt rumlaufen, wird wieder so unsicher, dass Fahrrad und Schloss zu fiesen Feinden werden und bei Jette läuten die Alarmglocken. NEIN, sie lässt das nicht zu. Dass diese ganze Scheiße wieder so schlimm wird.
Sie war so viel weiter. Das darf nicht wieder alles weg sein. "Nur" wegen so ein bisschen verlieben.
Von wegen. "So ein bisschen".Jaaaaaaaa, total. Wie kann man sich auch nach so kurzer Zeit verlieben. Geht ja gar nicht....
Und was, wenn doch?
Jedes mal dieser ganze Mist von neuem. Wegen dieser ganzen Gefühlsduselei wieder in eine neue depressive Phase stürzen?! Das ist zum Kotzen. Keine Lust mehr, es soll endlich aufhören.

Jette muss eine Entscheidung fällen. Nicht jetzt, aber bald. Vielleicht ist das "bald" doch schon recht nah. Denn das Radio-Gespräch hat es auf den Punkt gebracht, hat ihr Parallelen aufgezeigt: das arme Schwein ist der, der sich verliebt und trotzdem den Kontakt hält.
Bingo.
Eigentlich wäre es an ihm, zu sagen, nein, wir lassen das, denn ich tu dir weh und du jagst etwas hinterher, das du nicht bekommen kannst.
Aber Jette erinnert sich an die Geschichte über eine Ex-Freundin, die er auch längst nicht mehr liebte und auf die er sich trotzdem immer wieder eingelassen hat. Aus nicht-verzichten-können.
Ist das nicht das eindeutige Zeichen?
Da war es noch viel offensichtlicher, dass es falsch ist, dran zu bleiben. Er hätte ihr zuliebe die Notbremse ziehen müssen. Konsequent sagen müssen, nein, es wird dir zu weh tun, das kann ich nicht verantworten.
Hat er nicht.
Nicht bei ihr.
Und auch bei Jette wird er nicht sagen, wir brechen den Kontakt ab, damit ihr nicht weiter weh getan wird.
Bestimmt oder vermutlich wird er weiter antworten. Nach ein paar Wochen, wenn es grad mal passt. Er von sich aus wird vermutlich nicht sagen, nein, Cut, das wars.
Männer wollen sowas ja irgendwie nicht.
Die lieben einen nicht oder nicht mehr, aber einen kompletten Schnitt wollen sie auch nicht. Lieber so eine "Man kann sich ja noch unterhalten" oder "Wir können ja Freunde bleiben"- Kiste.
Ihr spinnt doch.
Sowas ist nichts ganzes und nichts halbes. Und mindestens einer Seite wird es richtig weh tun.
Es wird wohl oder übel keine andere Lösung geben: Jette muss sich mal wieder selbst retten, sich selbst dabei das Herz rausreißen. Aber immerhin noch kontrolliert und selbstbestimmt. Im anderen Fall wird es ihr stückchenweise, ganz langsam oder auch mal schnell, ganz unberechenbar genommen. Immer, wenn er mit anderen Leuten was macht, Fotos mit Mädels postet, online ist und sich nicht meldet usw.
Gibt es einen Kompromiss?
Gibt es irgendetwas zwischen sich weiterhin selbst zugrunde richten und am Rad drehen und sich nicht der Realität stellen und einem Schlussstrich mit allen Konsequenzen?
"Freunde bleiben" is nu mal nicht. Nicht, wenn sich einer in den anderen verliebt hat.


Samstag, 7. September 2013

überforderte 37.

Timing. Oder Gedanken-Emotions-Schockstarre.

Gestern Abend noch war Jette so wütend. So wütend auf die ganze Welt und so wütend auf ihn. Hat sich mal wieder die Augen ausgeheult, weil er nicht einfach da sein kann. Stattdessen ein ganz anderes Leben in zweieinhalb Tausend Kilometern Entfernung hat. Wütend wie sie war, hat sie wieder bis in die Nacht hinein am PC gearbeitet. Sofern die Arbeit einem nicht noch mehr Druck und Leid macht, ist sie das einzige, das hilft. Konzentriert denken müssen lässt eben keinen Raum für anderes. Schon gar nicht Emotionen.
Wütend wie Jette war, hat sie also wieder bis nach 2 Uhr am PC gesessen. Kurz nach 2 kurz aufs Klo, bei all dem Tee und Kaffee und Chai Latte. Egal. Kurz weg vom Laptop jedenfalls. Keine 5 Minuten. Und dann steht da oben links eine "1". Eine neue Nachricht. Um 2:10 Uhr. Die erste. Seit dreieinhalb Wochen. Nachts um 2! Und dann auch noch eine angetrunkene Nachricht. Und das bei Jettes schon vorhandenem Wutpegel. Holland in Not. Sie konnte sich gerade noch stoppen. Vielleicht ließ sich aus den ersten Zeilen trotzdem ihre Gemütslage herauslesen. Aber ganz ehrlich, total sauer, total überarbeitet und mitten in der Nacht.. da kann man schon mal unwirsch reagieren. Wenn man wochenlang jeden Tag auf ein Lebenszeichen gewartet hat. Wenn man sich schon die wildesten Theorien zusammengebaut hat. Dass man den anderen zu sehr bedrängt hat. Dass der andere keine Lust mehr auf einen hat. Dass der andere sich schon wen neues gesucht hat. Dass... was auch immer. Erklärungen gibt es ja so viele. Ja, auch "viel Arbeit" ist eine. Und sollte wohl erst mal als naheliegendste in Erwägung gezogen werden. Aber nein, Brutus sorgt schon für genug Komplexe. Für genug Selbstzweifel, fürs "ich bin eh ne Zumutung"-Einreden, für den ganzen Kopf-Mist.
Sie hat ihn also gar nicht zu sehr genervt oder bedrängt. Es gab einfach viele andere Dinge, die anstanden. Und Jette muss das gar nicht schon wieder persönlich nehmen.
Aber muss es um diese Uhrzeit sein? Ist das die einzige Tageszeit und ist alkoholisiert der einzige Zustand, den Jette wert ist?
Stundenlang konnte Jette überhaupt gar nicht so richtig darauf reagieren. Auf die unerwartete Zu-Wort-Meldung. Weder emotional noch gedanklich-verbal.
Was will sie denn? Keine Antwort mehr zu bekommen, war nicht recht und tat weh.
Eine Antwort zu bekommen, ist jetzt auch wieder nicht richtig?
Sie sollte sich diese Wut da mal abgewöhnen. Er kann auch nix dafür. Für ihre Komplexe, für das Timing, dafür, das es ist wie es nun mal gerade ist. Trotzdem wünscht sich Jette krampfhaft die Position, in der sie mehr wert ist, als eine Freitag-Nacht-2-Uhr-Alkohol-Nachricht. Und ihre Probleme und ihr Verhalten machen unter Umständen sogar noch diese kaputt....

Freitag, 6. September 2013

SECHSUNDDREISSIG


Wuttränen. "Nicht Durchschnitt" Oder Broken Heart Syndrom.

Das zweite Mal heute. Der zweite Heulanfall. So richtig. So doll, dass man denkt, man stirbt gleich vor Schmerz. In irgendeiner so dummen Arztserie war das in einer Folge mal Thema - "Broken Heart Syndrom". Die Frau hatte eigentlich gar nichts, trotzdem unglaublich Probleme mit dem Herzen. Und ja, genau DIE hatte sie wirklich. Sie wollte sich eigentlich von ihrem Mann trennen, hat es aber einfach nicht gepackt...
Wie dem auch sei - wie viele Menschen sind eigentlich schon durchs "Broken Heart Syndrom" zu Tode gekommen? Was ist z.B. mit denen, die in der Literatur immer an "gebrochenem Herzen" gestorben sind. Hatten die das auch?
Jette ist so sauer. Sauer auf die kack Welt da draußen, sauer auf sich, sauer, dass sie nicht einfach sein kann "wie die anderen". So schön durchschnittlich. Mit ner durchschnittlichen Beziehung, mit nem durchschnittlichen Intellekt, mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Interessen, mit durchschnittlichen Freunden, mit durchschnittlichen Problemen, mit durchschnittlichen Gefühlsintensitäten und Schmerzzeiten, mit durchschnittlichen Gedankengängen, mit durchschnittlichen Noten, einer durchschnittlichen Zufriedenheit und nem durchschnittlichen Glück. So ganz NORMAL eben.
Jaja, da ist sie wieder, die Wut oder sogar Bockigkeit, von der Frau M sprach.
Ist Jette jetzt aber auch scheißegal.
Ist doch so, ist doch unfair alles!
Gegenüber ist schon wieder so ein ekelhaftes Pärchen eingezogen. So ganz durchschnittlich zusammen in dieselbe Stadt gegangen wahrscheinlich, mit den durchschnittlichen Reibereien, den durchschnittlichen Auseinandersetzungen und den durchschnittlichen Kosenamen. Eine von den durchschnittlichen Konstellationen, die sich selbst noch "Schatz" nennt, wenn der eine dem anderen gerade ein Auge auskratzen möchte. Oder besser gleich beide. Doppelt hält besser.
Jette hat keine Lust mehr, immer anders zu sein. Immer ist alles viel intensiver, viel drastischer bei ihr. Viel mehr Vorbereitungszeit und Arbeit in so ne dumme Hausarbeit. Dafür natürlich aber auch eine "über-durchschnittliche" Note nach über-durchschnittlichem Kraftaufwand. Über-durchschnittlich komplexe Gedankengänge mit über-detaillierten Analysen von diversen Verhaltensmustern, Macken usw. Für sich und die anderen natürlich auch gleich. Jette nimmt ein winziges Detail und fängt direkt an, ne ganz neue Individualtheorie für den jeweiligen Menschen zu basteln. Natürlich ist sie auch nicht durchschnittlich lang traurig bei Liebeskummer, NEIN, wer über-durchschnittlich viel fühlt, darf natürlich auch über-durchschnittlich viel leiden. Für andere ist es okay und unkompliziert, wenn man mal mit wem rummacht. Trotzdem kann man ja danach normal miteinander umgehen. Na großartig. Schön, wenn der DURCHSCHNITT das kann. Manche Menschen haben aber auch Gefühle. Und manche sogar über-durchschnittlich viele mehr. Für manche ist nicht alles einfach. Manche leben nicht nur im Augenblick sondern nach nem großen Spielplan, bei dem es sich nicht locker-flockig von Feld zu Feld hoppst. Oder besser gesagt von Partner zu Partner.
"Aber du willst doch gar nicht sein wie die anderen!..." Doch verdammt. Je mehr man weiß, je mehr man denkt, je mehr man sich mit einer Thematik beschäftigt, desto komplizierter und schlimmer wird das Leben. Man lacht nicht mehr über "Klapsen-Witze". Oder Homo-Witze. Schließlich kam irgendwann der Tag, wo einem das selbst weh tat, weil andere es gemacht haben. Schließlich tut man anderen weh, wenn man das macht. Will man ja nicht. Als guter und kritisch-reflektierender Mensch.
Je komplexer man ist, desto beschissener wird aber alles. Andere Leute finden den Sommer klasse, hatten eine ganz ganz tolle Zeit jetzt und kriegen die im Radio schon angepriesenen "Herbstdepressionen", weil es ja wieder so furchtbar furchtbar grau draußen ist bald.
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH.
Herzlichen Glückwunsch, dass ihr überhaupt GAR KEINE Ahnung habt, was es bedeutet, Depressionen zu haben, ihr lieben Durchschnitts-Menschen in eurer heilen Durchschnitts-Welt da draußen. In der es einem schlecht geht, weil ja Herbst ist. In der man Antidepressiva-Witze reißt. Und Leute in "der Klapper" landen.
Jette ist froh, wenn der blöde Sommer endlich vorbei ist. Wenn endlich wieder "Normalität" einkehrt und nicht alle so am Sommer-Rad drehen. Wenn sie ihren fast durchschnittlichen Uni-Alltag wieder hat und die anderen "alle so langsam depressiv werden", weil ja der Winter kommt ---


Montag, 2. September 2013

35

Stein vom Herzen.

Plumps. Weg ist er. Der große Stein. Immerhin dieser. Jette darf in den Recall, die Therapie wird verlängert. Gott sei Dank. Eine Sorge weniger, ein Fixpunkt immerhin, der erhalten bleibt, nicht noch ein Bereich mehr, in dem Jette plötzlich wieder ganz allein und hilflos dasteht. Zuletzt hatte es ganz schön Ärger mit M gegeben, irgendwie hatten Jette und sie total aneinander vorbei kommuniziert und so hatte Jette sich schon wieder abgeschoben und weggedrückt gefühlt. Aber immerhin, Klappe aufmachen hilft. Ja, eine Verhaltenstherapie allein wird nicht reichen, das kann sie ja nachvollziehen. Aber fürs Erste will sie damit erst mal weitermachen, nicht wieder einen neuen Therapeuten suchen müssen, nicht wieder beim Urschleim anfangen müssen, nicht wieder ohne Anlaufstelle sein für viele Monate. Was man nach der hoffentlich genehmigten zweiten Therapie dann macht, sei noch dahingestellt. Nach dem ebenfalls hoffentlich beendeten Studium in einer ganz anderen Stadt wen neues mit einem anderern Therapieverfahren suchen, okay. Aber nicht jetzt. Nicht noch einen vertrauten Menschen weniger, nicht noch einen Bruch, nicht noch eine Fallgrube.
Ein Schaf sollte erst mal halbwegs im Trockenen sein.

Freitag, 30. August 2013

Vier/und/dreißig

Frusträumen. Oder Gratwanderung zur Übermütigkeit.

Jette will es jetzt endlich sein. Erwachsen. Dazu gehört auch, Verantwortung zu übernehmen. Für sich und all seine Angelegenheiten. Heißt auch, endlich mal nachzuholen und aufzuarbeiten, was sich in den langen Monaten der Bewegungsunfähigkeit angestaut hat. Und das ist einiges. Überhöhte Handyverträge, diverse vernachlässigte Unterlagen, Papierchaos, alles bunt durcheinander, verschenkter Stauraum im Regal, vermüllte E-Mail-Fächer und so weiter und so weiter. Es wird Zeit, auch diese Art von Leichen endlich mal aus dem Keller zu holen und klar Schiff zu machen. Immerhin, die erste Schlacht gegen die Hausverwaltung scheint gewonnen. Hurra. Aber das Wühlen in dem ganzen alten Zeug ist auch schon wieder ein Wühlen in der Vergangenheit. Und Jette ertappt sich, wie sie wie früher so oft eine Art von Aufräum-Anfall bekommt. Wie häufig hatte sie die. Wie häufig hatte sie die auch, wenn die emotionale Belastung grad mal wieder besonders groß war. Sie kann sich in Rage räumen und ist dann schon wieder geneigt, sich zu übernehmen. Stress-Räum-Wahn. Und Jette ertappt sich, wie sie wehmütig wird. Ja, es sind eigentlich nur sachliche, schnöde Unterlagen. Rechnungen, Mietverträge, sowas eben. Und trotzdem: plötzlich ist es, als würden die letzten 2 schweren Jahre in einen so dummen Ordner passen. Als wäre alles, was davon noch geblieben ist, dieser Haufen Papier. Mit jedem Datum auf einem Schreiben kommt aber auch immer eine Erinnerung hoch. Aha, das war bevor das und das passiert ist. Das war 3 Tage nachdem das und das passiert ist....
Zeit kann traurig machen. Wenn sie geht. Und sie geht so oft so schnell. Schwere Zeit kann traurig machen, gegangene schöne Zeit aber auch. Wenn alles, was man hat, in eine blöde, bunte Mappe passt. Wenn alles was man noch hat, die Erinnerung ist, und das Gefühl langsam verblasst.

Dienstag, 27. August 2013

33.

"Heinrich, der Wagen bricht!". Vom Liebeskater.
Oder Vom Gruppenkampf gegen Brutus. Die Gründung einer Selbsthilfegruppe.

Jette liebt Märchen. Nicht nur so zur Weihnachtszeit, sondern generell. Es gibt immer wichtige Inhalte, Lehren, Passagen, manchmal auch "nur" Zitate. Jettes kranke Psyche macht sich auch häufig stark physisch bemerkbar. Manch einem Depressiven geht es ebenfalls so, manch anderem nicht. Steckt man nicht drin. Ein Symptom der kaputten Seele und des traurigen Herzens bei Jette jedenfalls ist der Schmerz im Brustkorb. So wie Messerstiche. Nur ist da kein Messer... Jette hatte das über Monate hinweg, als es ihr so richtig schlecht ging. Als schon einen Fuß vor den anderen setzen zu viel war. Als Fahrrad fahren ein Ding der Unmöglichkeit war. Als irgendwie fast überhaupt nichts mehr ging. Irgendwann viel ihr der Satz aus dem Märchen vom Froschkönig ein: "Heinrich, der Wagen bricht!", sagte da der Prinz zum Kutscher, als ein lautes Rumpeln zu hören war und die Schlussfolgerung des jungen Mannes beinhaltete, dass wohl etwas mit der Kutsche nicht stimmt. Dieser erwiderte: "Nein Herr, der Wagen nicht, es ist ein Band von meinem Herzen, das da lag in großen Schmerzen...". Märchen sind so klug. Schon Märchen erzählen von psychosomatischen Erscheinungen. Nur muss der Leser das erkennen wollen...
Jette fühlt sich wie Heinrich der Kutscher. Allerdings ohne Brechen der Metallbänder um das Herz. Das Band ist noch da und muss irgendwie die ganzen kaputten, schmerzenden, stechenden Teile zusammenhalten. Liebeskummer kann da sein wie ein Kater nach einer durchfeierten Nacht. Man fühlt sich elend, man will einfach nur, dass es vorbei ist. Man weiß aber auch, dass man wenig bis nichts tun kann, um das Verschwinden des Gefühls zu beschleunigen. Wieder einmal: aushalten müssen. Die Bänder aus Metall helfen dabei. Scheiß Liebeskater.

Ein bisschen Ablenkung tut immerhin bei sämtlichen Leiden gut. Wenn man nicht so viel Zeit hat, sich mit seinem Elend auseinander zu setzen. Für zwei Stunden hat das heute geklappt. Jette gehörte schon immer zu den Leuten, die gern die Initiative ergreifen, was auf die Beine stellen wollen. Heute hat das Mühen Früchte getragen. In Jettes Stadt gab es an der Uni noch keine Selbsthilfegruppe bei Depressionen. Grund genug, das zu ändern! Zusammen mit einer Freundin wurde so also in den letzten Wochen das Projekt angeleiert und heute Abend saßen 11 mehr oder weniger junge Menschen da, die mindestens eine Sache verbindet: diese hinterlistige Krankheit.
Jette ist ein bisschen stolz. Seltsam einerseits, so viele andere Betroffene auf einem Fleck zu haben, schön jedoch zu sehen, dass sich die ganze Arbeit gelohnt hat und viele sich getraut haben, zum ersten Treffen zu kommen.
Gibt es in irgendeinem Märchen eigentlich auch eine Stelle, wo zu gesellschaftlichen Engagement aufgerufen wird? Wo Aufklärungsarbeit über schön tabuisierte Themen betrieben wird? Wo man sagt, wehre dich gegen das, was du im Alltag erlebst und hilf auch anderen?
Jette muss ihre Märchen-Datei noch mal abgrasen. Vielleicht wird sie dann fündig. Kann ja eigentlich gar nicht sein, dass dieser wichtige Punkt den Menschen früher verborgen geblieben ist. Oder vielleicht doch? Wenn Mittel und Wege gefehlt haben?

Donnerstag, 15. August 2013

2&dreissig

"And now everything goes my way". Oder Bei sich selbst sein.

Irgendwas ist anders. Seit.. gestern? Vorgestern? Jedenfalls hat sie begonnen, die "ich akzeptiere, dass die Dinge sind wie sie sind-Phase". Ist das einzige was hilft, gegen Ungerechtigkeit des Lebens, gegen Liebeskummer und gegen Tränen und Tiefs. Jede Krise fordert Jette dazu auf, weiterzumachen. Raus, immer wieder raus aus der dunklen Ecke. Nicht so viel denken, nicht immer so viel hinterfragen und anklagen und verstehen wollen. Es wird schon alles (s)einen Sinn haben. Oder jedenfalls kann man jeder Sache einen Sinn geben. Jettes momentanes Tief will auch ein Hoch werden, ist wieder eine Chance. Neue Dinge zu beginnen, Unbekanntes zu wagen, sich selbst zu finden, vielleicht auch stückweit neu zu erfinden. Sie muss jetzt mal in die Puschen kommen. Nur rumheulen, dass alles so schlimm ist, hilft ihr auch nicht weiter. Stattdessen neue Projekte in Angriff nehmen. Versuchen, über das Schreiben ein bisschen Geld zu verdienen. Sich ehrenamtlich engagieren für den guten Zweck, für das Wohl anderer Leute. Überarbeitete Zukunftspläne schmieden. Weitere Stücke der eigenen Identität herausfinden bzw. sie mitgestalten. Immerhin hat sie es erst mal geschafft, sich zu kümmern. Um die eine oder andere Idee. Ob dann etwas herauskommt dabei.. das wird sich zeigen. Trotzdem, allein die "Aktivierungsenergie" aufgebracht zu haben, ist schon mal ein wesentlicher, wenn nicht sogar der wesentlichste Part. Und irgendetwas liegt in der Luft. Ein ganzes Stück Zufriedenheit. Einfach so. Okay, vielleicht nicht "einfach so". Erarbeitet. Aber irgendetwas ist gerade gut. Irgendwie fühlt sie sich grad recht rund, bei sich. Dinge tun, die einem selbst gut tun, ist eben immer das richtige und zahlt sich aus. Sich selbst und die Gegebenheiten annehmen auch. Und glauben, dass am Ende alles gut wird. Und Enden gibt es viele.

Dienstag, 13. August 2013

EinUndDreissig


"Jetzt ist [er] weg, und ich bin wieder allein, allein". Oder "Das Gute ist der Feind des Besseren!"

Das menschliche Gehirn ist beschränkt. Hat einiges drauf, aber dennoch: es ist beschränkt. In Momenten wie diesen, an Tagen wie diesen, wenn es darum geht, Dinge zu begreifen.
Wenn ein Mensch stirbt, braucht man oftmals lange Zeit, um ansatzweise zu begreifen, dass derjenige tatsächlich weg ist.
Wenn ein Mensch weggeht, ist es häufig ähnlich "un-fassbar". Nicht zu fassen eben. Man WEISS, dass man denjenigen für lange Zeit oder vielleicht sogar nie wieder sehen wird, aber man begreift es nicht. Noch nicht. Steht zunächst unter einer Art Schock.
Jette ist in einer ähnlichen schock-starrigen Rauschphase. Jetzt ist es vorbei. Endgültig. Der Monsterbändiger ist weg. Weit weit weg. Und jaja, das weiß sie ja.
Ach, gar nichts weiß sie. Der Schmerz hat sich zwar den Tag über gekonnt hinter der Ecke versteckt, aber mit der Nasenspitze schaut er schon wagemutig hervor. Das nächste große Ach kommt noch (mal), nach der gestrigen Weltuntergangsstimmung, da muss sich Jette nichts vormachen. Muss eh erst alles sacken. Und dann, dann geht' s irgendwie weiter. Muss ja. Muss immer.
Ihre Schwester meinte im großen 2-stündigen Heul-Schrei-Krampf zu ihr, dass "das Gute der Feind des Besseren" sei. Ahja. Auch das muss sacken. Und dann stimmt es womöglich sogar. Wie oft muss man etwas, woran das Herz hängt, gehen lassen. Aber wenn man es dann tut, unter viel Weh und Ach akzeptiert und annimmt, dann taucht so manches Mal etwas neues auf - und mit dieser Unbefangenheit sogar etwas besseres. Es ist schwer zu glauben, dass noch etwas/ jemand besseres das tun könnte, trotzdem sollte man nicht davon ausgehen, dass das Leben einem per se eins reinwürgen will. Warum auch?
Jette darf trauern. Darf traurig sein. Darf sich so hohl und leer und unfreudig fühlen. Das ist okay, denn sämtliche Träume sind ja grad zerplatzt.
Aber wie schon vor einigen Wochen kann sie nach etwas Besinnungszeit vielleicht wieder etwas noch besseres FÜR SICH daraus machen. Kann weitergehen. Wieder ein Level weiter. Kann für sich das produktivste aus der Begegnung machen. Kann der Erfahrung einen Sinn geben. Immerhin hat sie es heute geschafft, sich aufzuraffen. Sich nach Perspektiven, Jobs, ehrenamtlichen Tätigkeiten umzusehen. Noch mal zu sammeln, was ihr wichtig ist, was sie kann, worauf es ihr ankommt und das in Angriff zu nehmen. Vielleicht wird etwas daraus. In jedem Fall ist Ablenkung gut und wichtig. Und ein neues Ziel zu haben, einen neuen Plan. Damit es Jette nicht auffrisst, das große Loch namens hoffnungsloser Leistungsgesellschaft, in der Jette doch nicht mehr mitspielen kann. Und irgendwie ja auch gar nicht will.

Sonntag, 11. August 2013

DREISSIG.

Geysire. Oder "But I still haven't found what I'm looking for"

Blick auf die Uhr. 14:22. Ach du Schande. Gerade wachgeworden.
Andererseits: wer schläft, kann weder grübeln noch weinen.
Und immerhin bekommt man mit pennen gut mal einen halben Tag rum. Hauptsache durchhalten, aushalten. Bis... was auch immer.
Jette geht es bescheiden. Für eine kurze Weile kann sie sich mit konzentrierter Arbeit oder der Erledigung von Aufgaben ablenken. Aber dann, wenn der Produktivitätsbereich im Hirn wieder ausgeschaltet ist, kommt alles hoch. Es staut sich an, bis es irgendwann ausbricht. Stoßartiges, hervorschnellendes Wasser wie bei einem Geysir.
Schmerz ist wie Unkraut: er wächst immer wieder nach. Und wenn man einmal glaubt, ihn gerade losgeworden zu sein, dann keimt er irgendwo wieder auf.
Jette will es nicht, aber sie kann nicht anders: anklagen.
Warum darf sie nicht?
Warum kriegt sie sie nicht, wenigstens die Chance?
Weder die Chance auf eine Beziehung noch die Chance auf das gewünschte Studium.
Es zu beginnen und dann zu scheitern, ist die eine Sache. Mit gebundenen Händen zusehen zu müssen, wie einem alles wichtige davon schwimmt, die andere. Abgeschmettert schon vor der ersten Castingrunde. Ganz zu schweigen von einem Recall. Nix. Nicht mal eine Vorladung. Einmal reinschnuppern, mehr aber auch nicht.
Jette weiß nicht wohin. Wohin mit sich, mit ihrem Leben.
Sie weiß nur, was sie nicht will. Und das ist dummerweise das, was sie jetzt gerade hat.
"Freu dich", verkündet das Etikett ihres Teebeutels in der Tasse auf dem Tisch. Na toll, worüber denn? Dummes Ding.
Draußen ist es trübe, niemand ist da, ihrer Schwester kann Jette auch nicht ständig am Rockzipfel hängen.
"But I still haven't found what I'm looking for", dudelt das Radio. Na bingo. Vielleicht ja doch. Vielleicht hatte sie es. Aber das zählt nicht. Wieder geht das Gute. Und Jette fragt sich, warum nur.

Samstag, 10. August 2013

Seifenblasen...


NEUNundZWANZIG.

Zerplatzte Seifenblasen. Oder Das Schicksal ist ne olle Schlampe.

Es gab genau zwei Sachen, die Jette in der letzten Zeit wirklich wichtig waren. So richtig wichtig. So mit "alle Hoffnungen dranhängen" und "im Kopf Bilder malen" und "Herz drauf setzen".
Pfffffffffffftttt.
Dahin sind sie, diese zwei Sachen. Wie Seifenblasen, die einfach so von einem Moment auf den nächsten zerplatzen. Innerhalb kürzester Zeit ist es vorbei, das schillernde Farbenspiel. Plobb, weg.
Sie hat es sich so gewünscht. Und nix, einfach wieder nix. Wieder verliert sie, was ihr am wichtigsten war. Das ist nicht fair.
Ihr Studium neigt sich in einem Jahr dem Ende zu und dann? Dann wollte sie eigentlich weiter an der Uni bleiben. Sich damit beschäftigen, womit sie sich zunächst aus eigener Betroffenheit schon gezwungenermaßen auseinandersetzen musste, sich aber in den letzten Monaten immer mehr freiwillig gewidmet hat: der Psychologie. Nein, Jettes Therapeutin war von der Idee nicht sonderlich begeistert und gab zu bedenken, dass man ja "eine große psychische Stabilität mitbringen" müsse und nein, vielleicht ist es ja auch besser so blabla, aber jetzt ist er ausgeträumt der Traum. Nummer 139 auf der Warteliste bei nur 55 Plätzen. Und das mit einem so guten Abischnitt. Toll. Die ganzen Wochen über war die Idee zu Jettes neuem Antrieb geworden, ein neues Ziel, das verfolgt werden wollte. Und jetzt? Nichts mehr. Perspektive futsch. "Sie haben Ihren Bestimmungsort.. verloren". Kacke. Da ist sie, die Enttäuschung. Mal wieder.
Sicher steht Jette jetzt ganz viel offen. Sicher, sie kann in jede Stadt gehen, in die sie will. Aber.. aber sie hatte sich das doch schon so schön gedacht. Sich endlich vorstellen können, in einem konkreten Beruf zu arbeiten... Aus die Maus. Traum vom Tisch. Das einzige, das bleibt, ist eine Ausbildung zur psychotherapeutischen Heilpraktikerin. Und dazu 4 Jahre an der Uni gewesen vorher? Immer diese Irrfahrten.
Wenn man im Privaten schon keinen Anker hat, dann braucht man ihn doch irgendwo, aber nein, auch da nix. Die Uhr tickt. Ganz laut. Ganz Ganz laut. Nur noch 3 Tage, dann ist er weg. Endgültig. Jettes Drachentöter. Und nein, auch da gibt's kein Happy End. "Nie wieder sehen" bleibt "nie wieder sehen" und das Leben ist kein Ponyhof. Eher eine Ross-Schlachterei.
Alles hat einen Sinn.
Hat es?
Wo ist er, wenn du das, was du träumst, nie bekommst?

Freitag, 2. August 2013

ACHTUNDZWANZIG


Mentales Schatzkästchen. Oder "Du siehst wie ich, liebst das gleiche, glaubst an das selbe. Bist du von hier? Begleit mich ein Stück, denn du fühlst dich an als wär's schon Jahre so. Du kennst den Weg doch selbst nicht. Und du musst jetzt gehen und bleibst in mir zurück."

Jette wacht auf, kurzer Blick nach rechts - oh Gott, er ist weg!
Häh?
Ja natürlich ist er weg. Schon seit 'ner Woche du dummes Unterbewusstsein! Dir auch einen schönen guten Morgen...
Schlaftrunkene Verwirrtheiten sind anstrengend. Aber dieses schlaftrunkene, verschwommene Gefühl, das damit verblassende farbige Bild trifft es genau auf den Punkt. Immer noch ist alles so unwirklich.
Reingestolpert in Jettes Leben und zack, wenige Tage später schon wieder raus. Sie wusste, dass es so kommt. Hatte genau davor Angst und konnte doch nicht anders. Und dem Glück einfach mal die Tür zu öffnen, wenn es gerade vor der Tür steht und klopft, war das richtigste und beste, was Jette seit langem gemacht hat. Der unerwartete Gast das wohltuendste seit... Es gibt kein "seit". Es ist ein "das wohltuendste überhaupt (ergänzen wir ein relativierendes und nach vorne schauendes "[...] bislang").
Wie eine weiße Wolke schweben die schönen summierten Stunden gebündelt durch die Wohnung. Sie umfassen alles, was Jette wichtig ist. So viel Passigkeit. So viel Ich im Du und so viel Du im Ich.
So viel selbstverständliches da Sein, so viel selbstverständliche Vertrautheit, so viel selbstverständliche Abwesenheit von Angst oder Zweifeln oder Scheu.

Sie werden kommen, Jettes "Depressoren" (bei Harry Potter auch "Dementoren" genannt). Genau wie diese Ungetüme lauert sie ständig, die Depression. Sie wartet schon hinter der Ecke und das Sommerloch stellt ihnen Nährstoff. Jette weiß, dass für sie diese wundersame wundervolle Begegnung wesentlich mehr Wert und Bedeutung hat als für die Gegenseite. Sie weiß, dass sie ihn nicht wird halten können, wo er eh schon gegangen ist. Sie weiß, dass es wehtut, sie weiß, dass sie noch nicht loslassen kann.
Sie weiß, dass es wird weitergehen müssen und sie weiß, dass das schwer wird.
Aber sie weiß auch, selbst wenn Dumbledore tot ist, dann hat sie sie: die lebenserhaltende, glückliche Erinnerung in ihrer mentalen Schatzkiste, die sie braucht, um im Kampf gegen die Depressoren einen Patronus beschwören zu können.
Und auch die Zeit und die verblassende Erinnerung werden sie Jette nicht nehmen können.


Mittwoch, 24. Juli 2013

AbschiedE.


SIEBENUNDZWANZIG.

Ein Abschied kommt selten allein. Oder Vom Los- und Gehen lassen.

Jette hasst Abschiede. Weiß sie. Gut, wer mag schon Abschiede? Sicher die wenigsten.
Aber Jette nennt eine tiefsitzende, fest innewohnende, sich panisch-wehrende, sträubende, kratzende, schreiende panische Angst-Abneigung vor Abschieden ihr eigen, dass es wirklich nicht mehr feierlich ist.
Nun steht er an, der Tag der Abschiede, wobei der Begriff "Tag" in diesem Fall dehnbar ist und den 24-Stunden-Rahmen sprengen wird. Nennen wir es der Einfachheit halber trotzdem "einen Tag".
Er steht also an, der Abschieds-Tag.
Abschiede-Tag.
Denn ein Abschied allein reicht ja nicht.
Nein, es müssen gleich drei von der Sorte sein.
Im Kopf war die ganze Zeit schon über klar "Kommende Woche musst du da durch."
Na gut.
Na fein.
Aber wissen und wissen ist zweierlei.
"Jaja, klar, sind die dann weg und das ist schade und traurig und bestimmt bin ich dann auch traurig, aber...."
Ja was "aber" eigentlich?
Mist, das Biest rückt näher.
Es ist nicht mehr weit weg.
Es ist MORGEN. ER ist morgen. DER Abschiede-Tag.
Und Jette hasst doch Abschiede.
Es ist, wie wenn man früher auf die Ferien gewartet hat. Oder auf das In-den-Urlaub-fahren. Es war immer so unglaublich weit weg und trotzdem bewusst, eines Tages ist es da. Und die Zeit war so gnädig und zäh und es wollte und wollte einfach nicht passieren, dass er kam, dieser Tag. Und doch, eines Morgens stand er schließlich vor der Tür, klingelte und klopfte nicht, trat einfach ein und - war da.
Und morgen wird er da sein.
Vielleicht mit Klingeln. Dennoch unabwimmelbar.
Jette bastelt für ihre beste Freundin in der Stadt ein Abschiedsgeschenk. Also eine Abschieds-Geschenke-Tüte eigentlich. Und das ist es, das Ritual, das sie braucht. Das Ritual, dass im Kopf und im Gefühl den Prozess starten lässt "Morgen das letzte Mal Sehen für lange Zeit".
MORGEN.
Ja, morgen verdammt!
Und Jette merkt, der schwere Mantel kommt. Nicht mal unbedingt Brutus, schlichte Traurigkeit. Die gute alte, schnöde Traurigkeit. Absolut berechtigt. Absehbar. Und dennoch überraschend.
Es wird ein Wiedersehen geben, mit ihrem Steinchen. Das weiß Jette und der Gedanke stellt wenigstens ein bisschen Trost dar. Aber obwohl MORGEN schon am Horizont erkennbar ist, ist MORGEN noch so unfassbar. Morgen schon?
Kann doch gar nicht sein.
Auch MORGEN geht Jettes Mitbewohner. Endgültig. Seltsamer Auszug, aber vielleicht eh ein seltsames Völkchen per se. Diese Künstler. Auch dieser Weggang so unecht. Da fehlt es noch, das Ritual. Aber ist ein leeres Zimmer nicht Beweis genug für die Echtheit der Tatsachen, die der Kopf glauben macht?
Abschied Nummer drei, auch MORGEN. Vermutlich. Wenn man Worten glauben schenken, Aussagen von Menschen vertrauen darf. Sollte man. Was bleibt einem sonst schon (abgesehen von der Angst)?
Also auch MORGEN ein weiteres Loslassen. Ein "Für immer und wir sehen uns nie wieder-Loslassen". Klingt schrecklich. Ist es vielleicht gar nicht, weil der Wegfall etwas alten eben immer auch das Nachrutschen etwas neuen beinhaltet. Sagt der Kopf. Und sagt die Erfahrung. Vielleicht ganz gut, dass das ErFassungsvermögen des Verstandes begrenzt ist. Kein Mensch kann den Inhalt "Abschied für immer" begreifen. Niemand. Dazu reicht er nicht aus, unser bescheidener Horizont. Aber alles hat ja einen Sinn, eine Funktion und so sollten wir einfach annehmen, dass wir manche Dinge nicht begreifen können. Es ist gut, dass wir bestimmte Verluste nicht fassen können, denn könnten wir es, würden wir an dem Schmerz verkümmern, ohne Chancen auf neues Austreiben.
Mit Glück bekommt Jette es. Ihr Abschieds-Ritual. Um das so schwer (be)greifbare immerhin erahnen zu können. Um mitzugestalten, was es zu verabschieden gilt. Um mitspielen zu können und nicht stummer Statist zu sein.
Er wird sacken, der Schmerz.
Er wird ankommen und unheimlich präsent sein.
Er wird aber auch vergehen. Eines Tages. Wenn wieder etwas neues Gutes kommt. Oder wiederkommt.

Montag, 22. Juli 2013

Wie mit den Vögeln fliegen, wenn man nicht federleicht ist?


SECHSUNDZWANZIG

Monsterbändiger. Oder "Es geht nicht darum, glücklich zu werden, sondern es einfach zu sein"

Verdammt! Es gibt ihn. Was heißt "ihn", es gibt mindestens einen! Womöglich noch mehr von der Sorte!
Es gibt mindestens einen so lebensfrohen, optimistischen Ritter, der in der Lage ist, das Monster in Schach zu halten, gar zu zähmen, längerfristig wohl sogar in der Lage gewesen wäre, es zu töten!
Es gibt ihn, den ebenbürtigen Feind für Brutus!
Es gibt ihn, den wundersamen Retter, der so viel heilen kann und es so sanft und selbstverständlich tut.
Es gibt ihn, auch für Jette, ganz unerwartet nahm er plötzlich Form an, obwohl er doch schon die ganze Zeit über da war.
Ein Befreiungsschlag. Der Fluch aufgehoben.
Offensichtlich kann es doch passieren. Einfach so. Dass da jemand ist, dass es passt. Wenigstens für eine offene Zeitfensterbreite.
Und für diese paar Zentimeter war alles gut. So einfach und zufrieden und gut.
So glücklich.
Einfach so.
Und genau darum geht es, sagt der Ritter. Darum, nicht immer "irgendwann einmal" glücklich werden zu wollen, sondern es einfach zu sein. Einfach so. Jetzt.
Einfach so.
Und für eine Zeitfensterbreite kann Jette das auch spüren. Dass alles so federleicht sein kann. Dass alles wie kleine Schäfchenwolken über den stahlblauen Himmel schwebt. Ohne schwer zu sein. Ohne kompliziert zu sein.
Sie war so unendlich dankbar. So aufrichtig dankbar für diese Erlösung.
Für den Beweis, dass es sich lohnt zu hoffen, dass wieder etwas Gutes passiert. Weil wieder etwas Gutes passiert. Und am ehesten, wenn man sich gedanklich -einfach- löst, man mit nichts rechnet, man nichts erwartet, man auf nichts eingestellt ist.
Sie sollte immer noch dankbar sein. Jette.
Aber sie ist so furchtbar schlecht darin, dauerhaft die angenehmen, schönen Dinge zu sehen. So furchtbar schnell verblassen sie immer.
Und genau wie diese Dinge verblasst Jettes Monsterbändiger wieder. Von vornherein stand fest, dass es ihn bald auf unbestimmte Zeit in südliche Gefilde ziehen würde. Dass alles nur ein schöner Traum für das Hier und Jetzt ist.
Aber Jette ist so kopflastig. Denken, planen, bestimmen.
Wie? Einfach treiben lassen?
Das ist so schwer.
Filigrane Dinge können sich treiben lassen. Wölkchen. Federn. Segel. Gräser. Vögel.
Aber Jette, Jette hat doch eine Brutus-Kugel am Fuß und statt über's Meer zu gleiten, sinkt sie an den Grund und ertrinkt.
Sie wird sie schätzen, diese Begegnung. Denn sie hat einen unbeschreiblichen Wert. Aber sie verblasst, Jettes Retter-Fata-Morgana und sie wünschte so sehr, dass sie bliebe. Dass die Oase echt ist. Und von Dauer.
Sie wünschte, dass es wenigstens dieses Mal einen richtigen Abschied gäbe. Einen, nach dem man loslassen kann. Ein Ritual, bei dem die Hände sich lösen und die Lippen und bei dem über allem steht, dass dies die letzte Seite des Kapitels ist.
Und wonach sieht es aus im Moment? Danach, dass die Geschichte einfach wieder mit einem cliff hanger im Raum stehen gelassen wird. Genau wie Jette. Die allerdings stumm und weinend in ihrer dunklen Ecke. Sie kann einfach kein Vogel sein, kann nicht unbeschwert mitfliegen, nicht mal mit Flugpartner. Zu schwer die Last, die an ihr hängt. Zu groß die schwarze Schwere und die Angst. Die verdammte alte Angst.

Montag, 8. Juli 2013

FÜNFUNDZWANZIG.

"Die Zeit heilt alle Wunder schon nach wenigen Jahren, nur noch Narben da wo Wunder waren". Oder Ein Rumoren in der Tiefe.

Es grummelt. Nicht im Magen, aber doch irgendwo im Inneren Jettes. Man könnte es schönreden, wegereden, wegignorieren, wegdrücken, aber wozu sich selbst was vormachen?
Es rumort, und das zu Recht.
Wer sich tief in eine dunkle Höhle wagemutig vorpirscht, der muss sich nicht wundern, wenn er schlafende Untiere weckt.
Wer tief in der Seele rumwühlt, muss sich nicht wundern, wenn alte Narben wieder aufspringen.
In der vergangenen Woche hat Jette viele neue Leute kennengelernt. Ausgewählte. Solche, die mit ihr Schnittmengen haben (oder aufgrund der Gruppenzusammenfindungen jedenfalls haben müssten/sollten/könnten).
Menschen, die auch eine große Affinität zu Musik haben.
Menschen, die ebenfalls depressiv sind.
Menschen, die ebenfalls hochsensibel sind.
All diese Begegnungen hat sie nicht bereut und es war gut und richtig, endlich aus dem Mauseloch rauszukommen und sich bewusst nicht in die dunkle Abschiebe-Ecke drängen zu lassen.
Aber diese Begegnungen waren eben auch nicht folgenlos.
Wer tief schürft, wird früher oder später etwas finden. Und all die Geschichten von vielen anderen Menschen zu hören, die in irgendeiner Form an und unter ihrem Leben leider, bewegt. Bewegt, weil man nun mal empathiefähig ist, bewegt aber auch und vor allem, weil sich Jette ebenfalls noch in einem "Umbau-Prozess" befindet, in dem alle Eindrücke von außen, die Parallelen irgendeiner Art aufweisen, sie immer aufkratzen. Erinnerungen und Gedankenströme werden in Gang gesetzt, von deren Existenz sie kaum noch wusste. Und so ziehen die Gewitterwolken auf und es braut sich vielleicht etwas zusammen....Doch wie verhindert man ein Gewitter? Wie verhindert man, dass Narben aufbrechen? Verhindert man, dass zu bereits vorhandenen Narben identische dazukommen?
Er ist wieder da - der alte Affe Angst. Er tanzt mit Jette, schleudert sie durch die Luft, wie es ihm beliebt. Dass er da ist, ist verständlich. Bekannte Umstände lassen alte Muster neu aufleben. Doch was ist, wenn die Geschichte sich doch wiederholt? Was ist, wenn es immer wieder eine Wiederholung gibt? Was ist, wenn gleiche Verhaltensweisen zu gleichen Ergebnissen führen? Was ist, wenn gleiche, töricht eingegangene Risiken wieder zum Verhängnis werden? Kann man den Lauf der Dinge aufhalten? Gewinnt der Affe das Tanz-Duell?

Montag, 1. Juli 2013

Heimat-Hafen?!


Zuhause.


TAG 0... (Zurück) ZUHAUSE.

Jette hat sie aufgegeben, die Auszieh-Aktion. Ist zurück in ihrer Wohnung bei den anderen,
zurück.. Zuhause? Zurück in einem Zuhause? In einem der Zuhauses? Der Zuhäuser? Der.. wie lautet der Plural von 'Zuhause'?
-Richtig.
Es gibt keinen. Das gibt unsere Sprache nicht her. Sollte dann inhaltlich nicht auch damit verbunden sein, dass man nur ein Zuhause haben kann?

In der letzten Therapie-Sitzung hat Jette das Fehlen auch nur überhaupt eines Zuhauses, wenigstens iiirgendwo beklagt. Da fragte M, was denn dieses Zuhause denn sei für sie.
Ja was?
Einfach sein zu dürfen. Ein gewisses Stück Geborgenheit, sich fallen lassen dürfen und ohne Einschränkung einfach angenommen werden. Ohne das Nicht-gut-genug sein, ohne das Dauernd-mach-ich-was-falsch. Ohne das Warum-bin-ich-überhaupt-da.
So oft haben sich in letzter Zeit die Orte verändert, die Jette jeweils mit dem heiligen Begriff Zuhause tituliert hätte. War ganz konfus. Heute hier Zuhause, morgen dort Zuhause? Und wo bleibt dann wieder der langersehnte Fixpunkt?
Jetzt weiß sie es besser. 'Zuhause' darf sich ständig ändern. Denn Zuhause ist immer dort, wo sie einfach sein darf. Bei den Menschen, die sie einfach annehmen.
Egal was in ihrer Familie für Konflikte herrschen, ein Stück weit wird dort immer 'Zuhause' bleiben. Manchmal ganz ganz wenig, manchmal wieder mehr. Ein Stück weit wird auch ihr Heimatdorf immer Zuhause bleiben. Gibt es doch immer noch Menschen, die Jette von kleinauf kennen und Wert auf sie legen.Unabhängig davon hat Jette jedoch viele Zuhäuser. Bei den Freunden nämlich, die sie so gut kennen. Die sie aushalten, auch wenn das manchmal schwer sein muss. Manchmal verblassen die Zuhauses. Wenn man die Freundschaften über viele viele Kilometer pflegen muss. Wenn man in einer anderen Stadt ein bisschen verloren sitzt und sich so von allen abgeschnitten fühlt. Wenn man sich nicht so häufig sehen kann. Wenn jeder für sich ja auch noch ein Leben hat.
Nichtsdestotrotz - sie bleiben. All die Zuhauses bei all den Leuten. All die Zuhauses mit all den kleinen Gesten, mit den Umsorgungen, mit dem Einfach-mal-nichts-machen-müssen, mit dem Einfach-mal-all-die-Kontrolle-abgeben, mit all dem Einfach-nur-entspannt-schlafen.
Es gibt ihn nicht, diesen einen Ort namens Zuhause. Aber muss es doch auch nicht?!

Samstag, 22. Juni 2013


TAG 5

--Gedanken--


Unterernährt. Oder Stuhlkarussel fahren.

Wenn die wärmende Sonne nicht mehr wärmt, wenn Licht nur noch Dunkelheit verströmt, wenn nichts mehr satt macht, dann ist man unterernährt. Wenn jedes kleine Stückchen Zuwendung, jenseits von all der intermenschlichen Eisigkeit, zum Feuerwerk wird, zum letzten grünen Grashalm, an den man sich klammert. Wenn das Herz in Windeseile an die letzten lauwarmen Wesen gehängt wird und diese als sonnenheiße empfunden werden, wenn sich die mühsam erwachsene Hoffnung als trügerisch-fatamorgane Illusion entpuppt, wenn wieder nur einer fühlt, was es zu fühlen gilt, dann ist man unterernährt.

Emotional unterernährt.

Dann macht jedes noch so winzige Haferkörnchen satt. Dann meint man, dieser winzige Krümel stillte den Leerenhunger. Dann meint man, das Brummen und Knurren des Magens verstimmen zu hören. Doch vor lauter Darben werden die Sinne getäuscht. Vor lauter Schmerz übersieht man, dass nicht der rettende Laib vor einem liegt. Vergisst man, dass man lediglich ein Spatz unter vielen ist, dem ein aberkleines Krümchen zugeworfen wird. Ohne besondere Affektion.

Wenn man auf einer Insel sitzt, keiner einsamen. Wenn der Hals sich uhugleich reckt und streckt und der Kopf inspiziert, wie die Seefahrer vorbeiziehen. Wie andere stranden. Wie andere auch allein zu sein scheinen. Wie sie doch aber alle auf jemanden warten. Wie die mehrsame Insel dann letztlich zur einsamen wird. Wie alle, die passieren, Karussell zu fahren scheinen. Oder ist man gar selbst derjenige, der sich dreht? Und alles andere steht still?

Wenn einem schwindlig wird, wenn man den anderen beim leben zusieht. Als drehe man sich auf einem Stuhl. Immer und immer um die eigene Achse. Ohne Pause. Bis alles verschwimmt und man machtlos durch die Gegend taumelt. Und fällt.

Donnerstag, 20. Juni 2013


VIERUNDZWANZIG DIE ZWEITE.

TAG 2, 3&4. Oder Wenn schon die Kraft für Worte fehlt, wird's bedenklich.

Es ist Donnerstag. Abend. Nacht. Fast Freitag. Seit Montag ist Jette ausgezogen, kommt nur mal zu Besuch in die WG. Dachte, die Entscheidung, zu gehen, brächte sie weiter. Hat sie aber nicht. Sie wollte die Fäden in der Hand haben, sie wollte sich nicht so abhängig und ausgeliefert fühlen, sie wollte... ja - was genau wollte sie eigentlich? Irgendwie wieder die Kontrolle gewinnen, für etwas, das außer ihrer Kontrolle liegt wohl.
Ein Projekt ohne einen Plan dahinter anzufangen ist kritisch. Wie soll man einen Weg gehen, wenn man gar nicht weiß, wohin er führt?
Erst mal weg. Das war das einzige, was klar war. Und dann weiter sehen. Zwischendurch hat Jette ständig gezweifelt. Hatte Heimweh. Hat sich noch elender gefühlt, weil sie sich selbst um ihr gewordenes Zuhause gebracht hat. Obwohl, das stimmt nicht wirklich. Die Umstände haben sie um ihr Zuhause gebracht. Sie hat lediglich versucht, die Notbremse zu ziehen. Nach dem langen Bremsweg ist jetzt aber trotzdem noch nicht klar, ob der Zug sicher zum Stillstand kommen wird. Gar nichts ist klar. Es ist ein ständiges hin und her und her und hin.
Jettes Psyche ist zwischenzeitlich Amok gelaufen. Erneut die Bestätigung: nichts ist vorbei. Gar nichts. Brutus ist kein Schoßhündchen. Er hatte sich nur für eine Weile verstellt. Wieder die Zweifel, wieder die Angst, bleibt ihr nur die Klinik? Schafft sie das alles nicht? Schafft stattdessen ihr Leben sie?
Alles ist so bodenlos, sie fällt und fällt und fällt und ist so unfassbar erschöpft und gelähmt und traurig dabei. Und so stumm und wortlos manchmal. Und so zungenerstarrt. Und nur die Augen können noch schreien, aber die Schmerzschreie werden wie so oft missverstanden. Und dann beginnen sie wieder, diese endlosen Erklärungsversuche, diese Aberverstehtmichdocheinfach,ichkannnichtanders, dasistdieKrankheit - Ansätze. Und wieder dieses Unvermögen der anderen, das Jette nachvollziehen kann und will, aber wofür sie nicht auch noch die nicht vorhandene Kraft aufbringen kann. Dieses Gefühl, schon so jung wie ein Pflegefall zu sein, der sich selbst und dem ganzen Umfeld auch noch zur Last wird.
Sie hat sich im letzten Sommer kategorisch dagegen gewehrt, aber vielleicht würde eine Selbsthilfegruppe doch nützen? Jette hat Angst, vom Leid anderer noch weiter herunter gezogen zu werden, auf Leute zu treffen, die tatsächlich schon versuchten, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Mit noch mehr Erfahrungsberichten konfrontiert zu werden von Menschen,  die ihre Monster auch nach Jahren noch nicht losgeworden sind. Was ist denn, wenn das alles nie endet? Jeder Tag jetzt ist schon so schwer. Ist nur ein "Aushalten". Ist nur ein 'okay, es wird schon einen Sinn haben, aber wann sehe ich ihn und wann werde ich endlich erlöst?'Und immer die Frage: wie lange ertrage ich mein Leid noch? Wann breche ich endgültig unter der Last zusammen? Warum wird auch jetzt nichts gut, nicht mal nach über einem Jahr in der fetten Depression, nachdem die leichte schon über Ewigkeiten hinweg dahinschwelte?! Nach so viel Arbeit, Erkenntnis, nach so viel Kraft und Tränen. So viel Erschrecken und neu erwachsener ersten Freude und Wärme, die endlich wieder spürbar wurden.
Wieso tritt das Leben immer nach?
Wo liegt der Sinn darin?
Menschen haben es nicht alle gleich. Das stimmt nicht. Manche haben mehr Glück, manche weniger. Manche haben ein gutes Fundament dazu, andere ein schlechteres und andere gar keines. Aber wenn man zu den letzteren gehört, was sollen da die dummen "JedemwiderfährtLeid, esistnurdieFrage,wiemandamitumgeht"- Floskel-Sätze? Du kannst noch so tapfer sein, noch so stark kämpfen, noch so sehr an eine gute Wendung glauben, noch so viel Arbeit in ein Glücklichsein investieren. Wenn es nichts gibt, das dich trägt, nützt all die Anstrengung nicht. Und wer das nicht versteht, der schätze sich wirklich glücklich. Denn derjenige hat so viel Fundament, dass er keinen Schimmer hat, wie es ist, grund-los zu sein.