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Freitag, 29. März 2013


VIER.

Leise rieselt der Schnee. Oder Frohe Ostern.

Karfreitag. Ostern steht vor der Tür. Wie, Ostern? Draußen liegt doch Schnee! Weihnachten meinst du wohl? Nee, Ostern. Aha.
Im Grunde ist es Jette vollkommen schnuppe, ob nun Ostern oder Weihnachten ist. Sie liegt sowieso krank im Bett. Der Vorteil allerdings ist: Ostern ist entspannter. Nicht so eine pseudo-aufgesetzte-endjahres-wirwerdenallenochsentimentaler-Stimmung. Ostern ist entspannt. Kein Programm, keine gespielten Gefühle und zum Eiersuchen ist Jette auch schon ein bisschen zu alt. Kein Stress also.
Okay, es gibt auch einen Nachteil an Ostern. Ostern weckt fiese Erinnerungen an's letzte Jahr. Schlechte Erinnerungen und Nachgefühle an's schlecht behandelt werden. An's verleugnet werden. An's dumm dastehen. An's demütigen. An's Komplexe kriegen. An Kreislaufprobleme und Tränen und ein schweres Herz. Wie gut, dass Jette den los ist.
Aber pünktlich zum "einjährigen Jubiläum" sind die Nachwehen wieder da. Ein Jahr ist eben, was es ist. Es ist ein Jahr. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Brutus knurrt rum. Wwwww... .
"Ach, halt die Klappe!", denkt sich Jette. Sie wird dieses Jahr nicht zum Osterfeuer gehen. Denn Osterfeuer ist Geschichte. Und all die Leute da auch. Einerseits könnte sie ja gar nicht, weil sie eben krank ist. Ganz gut, so besteht gar keine Möglichkeit, sich auszumalen, wie es dort wäre. Andererseits ist es dieses endgültige "Es ist vorbei". Nichts ist mehr, wie es war. Neues Leben, neue Leute. Oder weniger Leute. Beziehung beendet, Freundschaften beendet. So ist das. Es ist gut so, wie es ist, und Jette hat endlich wieder so etwas wie ein Leben. Und trotzdem tut es ein bisschen weh. Aber das liegt bestimmt am Schnee. Der suggeriert dem Kopf ja schließlich Weihnachten. Und da zu Weihnachten Wehmut gehört, ist das vollkommen in Ordnung. Wwwwwuff.

Freitag, 22. März 2013

Mach's gut Berlin!


TAG ZEHN - Bye bye Berlin.

Der letzte Tag ist geschafft, Jettes Praktikum vorbei. Sie hat vieles gut gemeistert, viele nette Menschen getroffen, Brutus gut in Schach gehalten. Das haben die beiden ordentlich hinbekommen. Das mit dem "sich vertragen". Eine halbwegs friedliche Koexistenz.
Jetzt heißt es zurück. Zurück zu den aufgeschobenen Arbeiten, zurück in die Höhle des Löwen, zurück zu den alten Erinnerungen.
Was bleibt?
Ein Kopf voller Fragen.
So viele neue Erkenntnisse, so viel gelernt, so viel gesehen, so viel erlebt.
Was bleibt ist Verwirrung.
Wo will Jette eigentlich hin?
Beruflich?
Und ortsmäßig?
Berlin ist immerhin eine Versuchung. Die Stadt hat ihren Reiz, aber momentan passt sie einfach nicht in Jettes Konzept.
Etwas Neues würde gut tun. Aber auch das passt irgenwie nicht so richtig in den Plan. Und der Kopf sagt, dass das auch besser so ist. Aber der Bauch... der hätte Appetit auf eine Kurskorrektur. Nur weiß jeder Seefahrer, dass man die Segel nicht nach Lust und Laune neu nach dem Wind ausrichten kann. Alles hat seine Zeit, braucht seine Zeit, braucht den richtigen Zeitpunkt.  Aber wann ist der? Was, wenn man im Nachhinein merkt, dass sich das Fenster wieder geschlossen hat? Dass der richtige Zeitpunkt für die Segelkorrektur längst vorbei ist?
Jette muss unbedingt den Rat von der weisen M einholen. Die kann sie erst noch mehr verwirren, um sie dann aber neu zu ordnen. Die ganzen wirren Ideen und Hirngespinste fein säuberlich in einzelne Schubladen einsortieren und dann gut überlegt die richtigen Dinge wieder hervorholen. Aber es sind noch 2 lange Wochen bis zur nächsten Sitzung. Und bis dahin? Bis dahin müllt Jette ihren übervollen Kopf weiter mit den gewagtesten Einfällen zu und hofft, nicht überzuquellen.

Mittwoch, 20. März 2013

Das Tor nach oben


Tag NEUN (Endlich. Oder 'Alles ist eitel')

Ein Schritt. Und noch einen. Und noch einen. Und.. noch einen. Jetzt einfach in den tiefen Schnee fallen lassen und liegenbleiben. Ausruhen. Jette tut es natürlich nicht. Sähe ja auch komisch aus. Aber die Erschöpfung macht die Fortbewegung um jeden einzelnen Zentimeter so schwer. So schwer.
Berlin hingegen lässt ihr keine Chance. Verschlafen und kaputt sein ignoriert die Stadt einfach. Automatisch wird man in den pulsierenden Strudel gesogen. Ganz gut vielleicht,und am Nachmittag ist schließlich Zeit, durchzuatmen. Das Stressgleichgewicht wieder herzustellen.
Die Ruhe wird Jette auch brauchen, wie sich später herausstellt. Gevatter Tod ist mal wieder als Nebendarsteller auf der Bühne erschienen. Und alles kommt wieder hoch. Auch hier sitzen nur Menschen, die vielleicht gar nicht so viel schauspielern, wie man meinen könnte. Alles kommt wieder hoch. Hoch. Hoch. Hoch. Die riesige Glasfront erlaubt Jette einen Blick gen Himmel. Ihre Verbindung nach oben. Ihr Portal. Ab und an meint sie zu spüren, wie sie herunterschaut. Auf die, die zurückgeblieben sind. Wie sie noch irgendwo ist. Genau wie all die anderen.
Der graue Himmel bricht für kurze Zeit auf. Ein Gruß von oben.

Wir alle sind endlich. "Alles ist eitel."

Jette muss sie nach so vielen Monaten mal wieder besuchen. So groß die Gefahr auch ist, dabei jemanden zu treffen. Ihm über den Weg zu laufen. So sehr es auch alles andere wieder aufsteigen lässt. Aber wie soll sie schon trennen, zwischen Mutter und ihrem Kind? Gerade, wo die Bindung der beiden so unglaublich eng war. Wie soll man schon den Verlustschmerz über den einen nicht spüren, wenn der über den anderen gegangenen so präsent ist? Wie soll das Herz schon das fühlen, was der Kopf ihm sagt?
Wenn die zwei nur die Spur einer Ahnung gehabt hätten, wie wichtig sie für Jette waren...

Dienstag, 19. März 2013

Ein Kuchen für Depressive?


Tag ACHT (Hundebegegnung. Oder Die Depression ist immer und überall)

Wwwwuuufff. Wwuff. Hört ihr's? Ein großes, braunes Fellpaket kommt schwanzwedelnd auf Jette zugerannt. Schnüffelt begeistert an ihr herum und leckt ihr über die Hand. Hunde sind einfach doch die besseren Menschen. Sie merken intuitiv, wer auf der guten und wer auf der bösen Seite steht. Wenn doch nur die Herrchen immer so klug wie ihre Tiere wären... Sei es drum, wer dümmer ist als sein Hund, hat keinen lieben Partner an seiner Seite verdient. Jette jedenfalls freut sich über diese Sympathiebekundung am Morgen, während sie durch den dicken Schnee stapft. Dass dieser Winter aber auch gar kein Ende nehmen will!
Jettes eigener schwarzer Hund macht sich auch ein bisschen bemerkbar. Nur, weil man nicht mehr den ganzen Tag weinend im Bett liegt, nur, weil man in der Lage ist, morgens aufzustehen, sich anzuziehen, nur, weil die Gedanken an die Aufgaben des Tages einen nicht schon in wenigen Sekunden nach dem Aufwachen ersticken, nur, weil man einen Antrieb spürt, sich ansehnlich herzurichten, nur, weil man andere Leute anlächeln und Smalltalk betreiben und seine Aufträge bei der Arbeit bewältigen kann, ist man nicht gesund. Jette vergisst das manchmal.
Läuft doch alles, sie kriegt ihr Leben doch auf die Reihe, dann mal volle Kraft voraus! - Besser nicht. Denn eine geklebte Teekanne bleibt eine geklebte Teekanne. Achtsamkeit, Selbstmitgefühl, Rücksicht auf das Ich, all das ist essenziell, damit man eben nicht wieder als der einsamste Mensch auf dem Planeten, ohne jeglichen Sinn im Leben, heulend, hilf- und kraftlos den Tag in den Kissen verbringt. Oft ist es ein Tanz auf Messers Schneide. Trotzdem: Jette darf nicht zu viel von sich erwarten. Sie kommt gut klar in der großen Stadt, kann die schönen Momente am Tag aufsaugen und versucht, sich von möglichen schrägen Blicken anderer nicht zu sehr verunsichern zu lassen. Realitätsüberprüfung! Die ergibt vor allem auch, dass sie ständig so richtig erwachsene Menschen trifft, die sich trotzdem mit der gleichen Unsicherheit durch die Gegend bewegen - und dann, warum auch immer, hilfesuchend bei Jette landen. Als ob sie hier den Überblick hätte! Aber doch eine schöne Wertschätzung irgendwie, wenn man wissend oder zumindest freundlich genug aussieht, dass andere sich an einen wenden. - Vermerkt auf der Seite der positiven Tageserlebnisse.
Zu den registrierten Ereignissen gehören auch diese zwei (denn "Die Depression ist immer und überall"): [in der U-Bahn:] "Depression? Die Teilnahem an einer Studie könnten Ihnen helfen!".Über dem Schriftzug ein Frauengesicht, mit Tränen überzogen. Mh, wieviele andere Betroffene das heute wohl schon gelesen haben? Jette ist froh, dass sie nicht zu den armen Seelen gehört, denen immer noch nichts hilft. Die letzten anderthalb Jahre waren Hölle genug. Wie furchtbar muss es sein, wenn man keine gute Therapie und kein wirksames Antidepressivum hat? Jette ist froh, dass ihr schon ein ganzes Stück weit geholfen wurde.
Als sie, zurück in ihrer Unterkunft, so überlegt, was wohl das Motto des heutigen Tages und vor allem, was ein dazu passendes Titelbild wäre, stolpert sie in der Küche über das perfekte Objekt. Und muss lachen. Oha, wer hat denn solche Klebezettel? Am Rand des Papiers, auf dem jemand ein Backrezept notiert hatte, ist der Name Jettes Lebensretter aufgedruckt (das ist reiner Zufall und soll keine Schleichwerbung für das Präparat werden. Es könnte auch jedes andere, antidepressiv-wirkende Medikament sein....). Ob die anderen wohl wissen, womit sich die Blaubeeren da auf ein und demselben Stück Zellulose vertragen müssen? Und vor allem, wo kommt dieser Zettel denn her? Jette kennt niemanden, der Antidepressiva-Notizblöcke besitzt! Seltsam. Falls der oder die Schreiber/in allerdings weiß, worauf er oder sie da Gedanken festhält, dann hat sich Jette längst verraten. Denn ihre Tablettenschachtel lag offen im Zimmer. Aber was spielt das schon für eine Rolle? Selbst wenn, direkt zu fragen, traut sich eh niemand. Immer noch groß die Scheu vor dieser Krankheit. Immer noch groß die Scham, dazu zu stehen.
Vielleicht sollte man die anonyme, passive Depressions"werbung" besser in eine aktive, aufklärende umwandeln, in der sich die U-Bahn-Fahrer an einer Stelle verewigen und zu ihrer Krankheit stehen können. Aber wer will sich schon outen?
Und Jette ertappt sich selbst - wieviele wissen nicht, wie es wirklich in ihr aussieht! Spielt sie nicht selbst oft mit im Theaterstück der pseudo-heilen Welt?

Montag, 18. März 2013

"...got some new shoes on and suddenly... eveything is right"?


TAG SIEBEN

(Hallo? Brutus? Oder "I got some new shoes on and suddenly (almost) everything is right")

Unruhe. Erhöhte Atemfrequenz, erhöhter Puls. Jette kann nicht runterfahren. Brutus? Hallo? Bist du das? Kommt sie zurück, die Angst? Panikattacke? Letzter Ausweg Flucht?
Nein, die Symptome scheinen zu täuschen. Es ist wohl nur der erhöhte Stresshormon-Pegel im Blut. Den ganzen Tag auf Achse, alles hektisch, dauernd eine Planänderung (auf die Bahn ist in Berlin wirklich noch weniger Verlass als anderswo), viele Eindrücke, viele Herausforderungen. Kein Wunder also, da darf man schon mal aufgekratzt sein. Ohne, dass die Depression mal wieder zuschlägt. Außerdem nimmt Jette erst seit 2 Monaten eine höhere Dosis Tabletten. So schnell kann sie sich gar nicht daran gewöhnt haben, dass die Angst zurückkommen könnte. Sollte zumindest so sein. Außerdem außerdem gibt es eindeutige Indizien, die gegen die Angst vor der Angst sprechen: Jette müsste ganz schön stolz sein. Allein durch eine proppenvolle Stadt, allein und ohne Stöpsel in den Ohren in der (S-/ U-) Bahn. Allein unterwegs zwischen aufgetakelten Menschen. Allein unterwegs in verwirrend strukturierten Gebäuden. Allein in der übervollen Kantine mit unzähligen Menschen, die sie aber alle nicht mustern. Allein, geschützt von der überwältigenden Masse. Darauf wäre sie nicht gekommen. Dass eine Überdosis von anderen Leuten ihr das Gefühl von Sicherheit geben könnte. Bei 3,5 Millionen Einwohnern hat einfach niemand Zeit, jemanden genau zu inspizieren. Zu mustern und zu bewerten. Positiv! Liebes Berlin!
"Allein" auch mit den vielen Spiegeln. Den spiegelnden Flächen in den Aufzügen.
Nicht ganz allein. Begleitet oft von den Spiegelbildern der Püppchen.
Spiegel. Jettes größte Feinde des letzten Sommers. Ein Blick genügte, um die mächtigsten Komplexe zu Riesen wachsen zu lassen. Problematisch, wenn man sich selber nicht ansehen kann. Problematisch, denn aus seiner eigenen Haut ist wohl noch niemand entkommen.
Mit den Spiegeln das ist immer noch kritisch. Aber gut, das war es jahrelang. Kennt Jette ja eigentlich gar nicht anders. Und immerhin hat ihr Verhältnis zu ihnen sich wieder als einigermaßen annehmbar entwickelt. Man darf ja auch (wie immer) keine zu hohen Ansprüche haben. Schon gar nicht an sich selbst.
Umso unglaublicher also, dass Jette jetzt halbwegs unbeschadet durch das Spiegelkabinett der großen Glaspaläste laufen kann. Dass sie allein zur Mittagspause in den Ameisenhaufen geht. Sie keinen Panikanflug bekommt und einfach nur weg will. Das ist ein großer Erfolg und wäre noch vor einem halben Jahr undenkbar gewesen. Also freu dich Jette, verdammt noch mal! Vermutlich vergisst man sehr schnell. Wenn man, im Großen und Ganzen, erst mal wieder lebensfähig ist, gerät das Gefühl der Lebensunfähigkeit möglicherweise recht bald in Vergessenheit. Das ist heikel, denn man läuft Gefahr, rasch wieder undankbar zu werden. Andererseits ist es ein weiterer genialer Zug der Seele. Denn wenn sie dieses grauenhafte Gefühl dauerhaft speichern würde, zerbräche man wohl.
Statt also gebührend ihren Kantinengang zu feiern und sich darüber zu freuen, begeistert sich Jette womöglich mehr an ihren neuen Schuhen. Jaja, banal. Aber wieso dürfen Frauen das nicht auch mal sein? Es sind schließlich Schuhe.....! Wie üblich schießt Jette direkt eine Liedzeile durch den Kopf: "I got some new shoes on and suddenly everything is right". Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Aber die Schuhe können eben auch Balsam für das kaputte Ich sein. Sie geben Sicherheit, wenn sie nur dazu beitragen, dass Jette sich wohler in ihrer Haut fühlt. Schuhe als Heilmittel und Therapie! Erzählt das bloß den Männern!
Und Brutus? Der mag keine neuen Schuhe. Brutus ist müde und schläft. Schlaf, Brutus, schlaf. Und lass Jette möglichst lange in Frieden.

Sonntag, 17. März 2013

Mal wieder auf zu neuen Ufern?


Tag FÜNF&SECHS [ein preußisches WE]

(Auf zu neuen Ufern? Oder vom Zugvogel, der kein Maulwurf war)

Wochenende in Potsdam und Berlin. Jette bekommt Besuch und verbringt zwei schöne Tage bei schönem Wetter, schön anzusehendem und schön schmeckendem Essen und mit schönen Gastronomiemitarbeitern. Die Leute (Schrägstrich Männer) sind hier irgendwie alle recht nett.  Wären da nicht die unschönen Träume nachts, die Jette immer wieder aufwühlen, wäre die momentane Situation wirklich ziemlich okay. Aber die Geister, die man einst rief, wird man nun manchmal nicht mehr los. Der Kopf ist unter Umständen ein Strolch, das Herz noch mehr. Und wenn sich beide verbünden, kann man nur verlieren. Da hilft wohl wieder nur aushalten. Das meistverwendete Wort in der Beziehung mit Brutus. "Du musst da jetzt durch, das musst du jetzt einfach aushalten". Toll. Blödes Wort. Was solls, eines schönen Tages werden sich auch die nächtlichen Kopf-Irrfahrten erübrigen. Alles nur eine Frage der Zeit.
Viel problematischer ist Jettes "Ich finde heraus, was ich machen will-Trip". Da hat nichts mit Brutus zu tun. Wobei - okay, hat es. Gerade die Erfahrungen mit Brutus bringen Jette in die Bredouille. Sie ist doch nicht hier, um zu merken, dass alles, was sie bislang getan hat oder gerade noch tut, NICHT ihrs ist! So war das aber nicht gedacht! Sie war hergekommen, um zu merken, dass sie Politik ganz toll findet und sich da eine Laufbahn vorstellen kann. Sie wollte ins Ethnologische Museum, um sich zur Abwechslung mal mit ihrem Studienfach zu beschäftigen. Und? Das ging nach hinten los. Das Museum war irgendwie nicht mehr als "Mhh.". Mäßig bis unbefriedigend. Aber das Ding ist nicht, dass die Ausstellung nicht gerade der Reißer war. Die Problematik ist größer. Nach drei Jahren sprach- und kulturwissenschaftlichen bzw. ethnologischen Studien hat Jette mal wieder ihren Sättigungspunkt erreicht. "Das war ja alles ganz nett und interessant, aber jetzt möchte ich doch bitte mal wieder was anderes hören und sehen...".
MIST.
Okay, okay, Ruhe bewahren. Jette wird hoffentlich ihren Bachelor zu Ende machen. Schließlich hat sie schon so viel Kraft und Zeit hinein investiert. Aber immer deutlicher wird ihr, dass es das auch mal wieder nicht ist. Mal eine Übersetzung hier, mal einen Text da, in Ordnung. Aber damit ihr Geld verdienen? Nee. (Abgesehen davon, dass es nicht mal Stellen gibt.....) (studiert bloß etwas Ordentliches!!!)
Immer deutlicher werden Konturen einer vagen Idee. Immer mehr wachsen diese Idee und die Verliebtheit in die Vorstellung, das zu tun. Immer stärker wird das Gefühl, dass es möglichweise genau DAS ist, was zu Jette gehört. Immer leiser wird die Stimme, die sagt, dass ist wahnwitzig und nur ein zwischenzeitliches Hirngespinst.
Wenn Jette ihrer Therapeutin davon erzählt, wird sie ihr bestimmt den Kopf abreißen... Oder vielleicht ja auch nicht?
Gefühl gegen Verstand. Welcome back.
Jettes alte Mitbewohnerin hat schon aufgeschrien "Och nö, nicht schon wieder eine, die das studieren will, weil sie selber psychische Probleme hatte.". Eindeutige Reaktion.
Aber es ginge nicht darum, sich selber besser zu verstehen. Dazu muss Jette nicht Psychologie studieren. Dazu macht sie schließlich eine Therapie, beliest sich, denkt viel nach, redet viel, hört viel zu, beobachtet viel. Es geht nicht darum, Psycholgin zu werden, um mit dem eigenen Leben klarzukommen. Es geht um die Fasziniation um das, was Jette als Schlüssel für alles menschliche Zusammenleben und Handeln versteht. Psychologie als Tür, die ihr eine neue Sichtweise auf die Welt eröffnet. Alles plötzlich verstehbar machen lässt. Und auch noch Lösungsansätze aufzeigt! Je mehr Jette den Blick auf psychologische Bedarfsfelder schärft, desto offensichtlicher wird ihr der riesengroße Mangel an Hilfe, die vielen das Leben so viel leichter machen könnte. Sie findet sich immer wieder in Situationen, in denen lediglich entfernt bekanntere Mitmenschen mit ihren Problem zu ihr kommen. Ihr brisante Dinge erzählen. Ohne Scheu, ohne Zweifel, dass die Informationen in falsche Ohren gelangen könnten. Sie spüren, dass sie nichts zu befürchten haben. Jette ist gut im Zuhören, im Tipps Geben und im Schweigen. Sie fühlt sich wohl in der rumdoktornden Rolle der Freizeittherapeutin. Vielleicht ist es das, was sie ist? Was ihrs ist? Ist sie das? Oder will sie das nur sein? Macht sie einen Gedankenausflug in eine schöne Rolle?
Woher weiß man wer man ist?
Die Reaktion Jettes besten Freundes gefällt ihr da schon besser. "Du bist ein Zugvogel, kein Maulwurf". Und genau dieses Gefühl hat sich heute im Museum bestätigt. Jette ist viel zu lebendig, als sich mit den toten, stillen oder alten Dingen zu beschäftigen. Sie will etwas bewegen. Sie will helfen. Sie will das Leben spüren. Das Jetzt und das Morgen und nicht nur das Gestern. Also auf zu neuen Ufern? Kurskorrektur? Alles ist so flou. So unscharf. So verschwommen.
Woher weiß man wer man ist?
Ist sie das oder will sie das nur sein?

Freitag, 15. März 2013

Schicksalsdessert - und die Hälfte bleibt zurück.


Tag VIER (Theater spielen Part II und "nachgefühlt")

Freitag Abend. Endlich. Abschalten, rumhängen, schlafen. Man selbst sein. Jette passt das, was sie sein soll, wie sie sein soll, nicht in den Kram. Wieder muss sie nur eine Funktion erfüllen. Wieder mal geht es nicht um SIE. Zweckmäßig sein, etwas darstellen (dabei können das doch die Juristenpüppchen viel besser...) - darum geht es erneut. Hier schätzt sie niemand dafür, was sie ist, wie sie ist, was sie kann, was sie mag. Hier ist sie nur eine Nummer. Praktikantin 237.518 000. Oder so. Ein Nichts. Ersetzbare, durchlaufende Ware. Aber Hauptsache da. Für's Protokoll. Für's Foto. Jette fühlt sich benutzt. Mal wieder. Sie kommt nicht richtig zu Wort, sie wird nicht richtig los, was sie gern von sich geben würden. Sie kann gar nicht sie sein. Darum geht's aber auch nicht. Hier geht es um Friede-Freude-Eierkuchen-Darstellungen. Jette spürt, wie sich zum Fruchtkompott wird, das man oben auf dem Backwerk drapiert - und kann nichts dagegen tun. Wieder hilflos. Wieder tatenlos. Dabei rumort es. Was würde ihre Therapeutin jetzt sagen? Meckern? Wahrscheinlich. Da sind wieder irgendwelche männlichen Wesen, die sie umherschubsen und Jette, Jette kassiert stumm die blauen Flecke und Beulen. Glückwunsch. Aber... sie...sie hat ja auch gar keine Gelegenheit...? Und irgendwie ist das auch nicht gerade der Ort der ehrlichen Worte. Das Theaterspiel geht weiter. Eine riesen Bühne. Ein riesen Drama. Unzählige Akteure. Keep smiling. Fehlplatziert. Jette hat keine Lust darauf, als Aushängeschild missbraucht zu werden. Keine Lust darauf, nicht aufrichtig antworten zu dürfen. Kritik zu äußern. Ja, zur Berufsfindung trägt das alles bestimmt bei - immer eindeutiger steht fest, dass es das ist, was sie NICHT will... und still und stumm ärgert sich Jette über sich selbst. Sie kennt das. "Mitspielen" müssen. Keine Widerworte. Immer schön schweigen. Genau das war in der Vergangenheit der große Fehler. Genau das hat sie auseinanderbrechen lassen wie die kostbare chinesische Vase von der Anrichte. Und wenn beim letzten Mal vielleicht die Kraft fehlte, für sich zu kämpfen, so ist es in diesem Umfeld jetzt einfach nicht geboten.
Paradoxerweise schwemmt die negative Erinnerung auch Sehnsucht und Wehmut mit auf. Das ist nicht Brutus. Fieser: Das sind Amors Parasiten. Sie hat es doch getan. Sie wollte kein Tiramisu essen. Sie wusste, dass das eine gefährliche Assoziation weckt. Sie wollte nicht Dido und Poisel hören. Aber wenn das Radio das spielt, was soll man da schon tun? Sie wollte sich nicht dabei ertappen, wie sie immer auf die identischen Strickergebnisse nach identischen Strickmustern anspringt. - Sie tut es doch. Sie wollte sich nicht mehr vorstellen, wie es wäre, wenn sich nicht alles zu einer Endzeitschlacht und einem Trümmerhaufen entwickelt hätte. Wollte nicht mehr den Gedanken nachhängen, wie es wäre, glücklich geworden zu sein. Wollte die wenigen guten Momente vergessen. Und jetzt, jetzt tut sie es doch: sie sucht vertraute Ähnlichkeiten in wildfremden Menschen. Findet sie. Stellt sich vor, sie wäre der blonde, schlafende Schopf neben dem vermeintlich vertrauten braunen. Dieses scheiß Dessert. Dieser scheiß Kellner. Naja,eigentlich war der ja echt sympathisch. Aber wenn tatsächlich für einige Momente das Herz wieder vergisst, dass es längst losgelassen hatte und der Kopf, der sonst der Störenfried ist, auf einmal unterliegt und schweigt, dann verflucht Jette die Dessertkarte. Und die Radiostationen. Und den netten Kellner. Und sich selbst. Aber "Zeit heilt alle Wunder, schon nach wenigen Jahren. Nur noch Narben da, wo Wunder waren"?!?

Donnerstag, 14. März 2013

Hin- und hergerissen zwischen Eiseskälte und Sonnenblau.


Tag ZWEI&DREI (Anders als die andern. Oder "erwachsen spielen")

Donnerstag Abend. Jette schleppt sich seit Stunden durch die Stadt. Berlin ist einfach so unglaublich zehrend. Alles pulsierende, mobile, lebendige, schwirrende scheint aus dem Kraftvorrat der einzelnen Menschen gesogen zu werden. Bewegung braucht einen Motor. Und so wird die Energie jedes einzelnen verheizt. Die Bahn war heute verhältnismäßig pünktlich und so konnte Jette in Ruhe zur Arbeit gehen. An ihr vorbei hingegen hummelten und ameisten die gestressten Berufstätigen zur jägerisch-kämpferischen Melodie des Akkordeonspielers durch die U-Bahn-Unterführung. Wie bizarr! Ein kurzer Moment, um zu lächeln. All die Hummeln und Ameisen tanzen zur Musik in ihrer Arbeitsweg-Choreografie.
Im Gebäude hingegen keine Gelegenheit mehr, eine pikant gewürzte Seite des Lebens zu erschmecken. Nicht verliebt machend, eher grotesk das Schauspiel. Junge Menschen, die sich in Erwachsenen-Manier in Anzug und Blazer und Stöckelschuhe werfen und eben das versuchen zu sein: erwachsen. Wie auf alten Fotos hingegen scheinen diese Kinder nur in eine falsche Hülle gesteckt. Wir alle SPIELEN, reif und wissend und so unverschämt souverän zu sein. Und geben uns ganz pseudo-professionell dabei. Die Juristen-BWLer-PoWi-Nachwuchsmöchtegern-Politiker von morgen. Und da ist es wieder, das altbekannte Gefühl: anders als die andern. Jette passt hier nicht rein. Eigentlich wollte sie mal etwas finden, das IHRS ist. Das zu ihr gehört. Stattdessen kommt das Ausschluss-Prinzip zum Tragen - fehlplatziert. Mal wieder. Das alles ist ganz schrecklich interessant, aber allein Kostüm, Bühnenbild und Requisite schreien heraus, dass das hier nichts als ein neues Schauspiel ist. Und wenn Jette eins NICHT mehr will, dann ist es Theater. Nachdem sie anfing, die kleinen und großen Dramen des Lebens zu erkennen, widerstrebt es ihr, unfreiwillig mitzuspielen. Gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Noch mehr Rollen zu übernehmen, mitzumachen. Lächeln, gut aussehen, alles toll, alles entspannt, alles im Griff. Alles kein Problem. Alles geheuchelt und geschauspielert.
Was Jette will, ist ankommen. IHRS finden. Hier ist es nicht. In der Stadt vielleicht. Aber nicht in diesem Job.
Woher weiß man, wer man ist? Was man ist? Woher weiß man, ob man das ist,  oder ob man das nur gerne wäre? Woher weiß man, ob man das kann?
Ein seltsames Vakuum füllt Jette aus. Es geht ihr nicht gut und nicht schlecht. Sie ist von der Statistenrolle zurückgekehrt und schreibt jetzt die Kritik für das Stück. Ist die Analytikerin von außen, obwohl sie doch drinnen dabei sein sollte.
Und Brutus? Der wird auch vom Vakuum verschluckt. Die neue Konkurrenz mit dem Bären scheint ihn zu verwirren. Mal knurrt er, dann ist er wieder still. In einem sonnengetränkten, blauhimmelbepinselten Berlin scheint er für Momente verschwunden. Dann springt er hinter der nächsten Ecke hervor. Brutus ist auch ganz wirr von der Metropole. Vielleicht saugt auch ihm die Stadt die Energie weg?

Dienstag, 12. März 2013



BÄRlin.
 
 

DREI.

Brutus in Bärlin.

Tag EINS.

Dienstag früh, zum hundersten Mal ein Plan, der über den Haufen geworfen werden muss. Stress. Schon wieder. Immer immer wieder. Wie die ganzen letzten zwei Wochen auch schon. "Hej Leben, hör auf damit! Macht es Spaß, mich immer auszutesten?", denkt Jette. Immer am seidenen Faden hängend. Immer hoffend, dass nicht wieder etwas passiert, das sie aus der Bahn wirft. Und dann passiert es doch. Immer immer wieder. Wie der Wetterumschwung kam auch der Stimmungsumschwung. Kurzer Frühling zwischendurch und dann zack, auf einmal wieder Minusgrade und Schnee. Zu früh gefreut. Von wegen, Brutus sei weg. Tsss... Der gibt mal wieder sein bestes. Und in dieser Verfassung jetzt auf in die Hauptstadt zum Praktikum? Spießrute? Jette kommt, um mit dir zu laufen!....
Die vergangenen Tage haben Jette einfach viel zu sehr aufgewühlt. Kein Boden unter den Füßen. Freier Fall ahoi! Der zaghafte Versuch des Urlaubs, Stress mit der WG, Stress mit dem Frisör (wieviel Pech kann man haben?), Stress mit dem Auto. Nächster Termin bei der weisen M erst in drei Wochen. Zuhause Stress. Alle kaputt. Alles kaputt. Jette am kaputtesten überhaupt. Und trotzdem die einzige, die irgendwie in der Lage ist, wenigstens ein bisschen zu retten. "Die Verletzten soll'n die Ärzte sein"... Und die Freunde, die Jette ihr Sicherheitsnetz geworden sind und neuen Boden unter den Füßen wachsen lassen haben, sind alle in der Versenkung verschwunden. Blödes Timing. Noch so ein Erkennungsmerkmal von Jette. Aber wenn Brutus spielen will und beißt und bellt, braucht sie doch Hilfe! Wo sind die Tage hin, an denen es Jette gut ging? Wo sie zufrieden, ja manchmal sogar einen Moment lang glücklich war? Die Tränen und das schwere Herz haben alles weggespült und erdrückt.
Aber jetzt, jetzt bekommt Brutus einen Spielgefährten. Einen, der sich gewaschen hat! Nein, keinen WaschBÄRen. Aber den Berliner ~.
Das ist ein tüchtiger Geselle! Er schafft es tatsächlich Brutus in Schach zu halten. Vor lauter Bärentanz hat Jette gar keine Sekunde, sich mit Brutus rumzuplagen. Manchmal hilft Stress sogar bei Depressionen. Wenn's um's nackte Überleben (bzw. Nicht-Verloren-Gehen) in der großen Stadt geht, dann verstummt sogar Brutus und zieht sich in seine Höhle zurück. Na immerhin. Vielleicht kann Jette sich ja dieses Mal dadurch retten, dass sie den ganzen Tag unter Strom steht, viel laufen muss, viel frische Luft neben der stickigen Büroluft in die Lungen saugt. Vielleicht kann sie abends einfach bärenmüde ins Bett fallen und vergisst das Weinen. Das Nachdenken und Nachfühlen. Bleib bei Jette, lieber Bär!