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Samstag, 27. April 2013



ZWÖLF

Zuhause. Oder Glücklich Sein. Oder "train yourself to let go of everything you fear to lose"

Der Sänger Pohlmann (oder eher der "kleine Mann bei Star Wars) hat es auf den Punkt gebracht: übe dich darin, das loszulassen, von dem du fürchtest, es zu verlieren. Das ist leichter gesagt als getan. Obwohl schon April ist, ist die "Sterbewelle" noch am wüten. Normalerweise passiert das immer besonders im Winter, aber dieses Jahr hat sich ja auch dieser nach hinten verschoben. Jette hasst das - immer diese Leute, die dann einfach weg sind. Einfach so. Manchmal mit, manchmal ohne Vorwarnung. Aber dann unwiderruflich. Oder zumindest bis zum Wiedersehen im Himmel.
Auch wenn es Jette nicht besonders nah und freundlicherweise auch nicht richtig persönlich betrifft, zieht sich wieder eine Region im Brustkorb zusammen. Sie kann es einfach nicht, mit dem Tod umgehen. Er ist ihr immer noch die gleiche Schreckensgestalt. Unsichtbarer, unberechenbarer Feind. Und er gibt niemals auf. Und verliert nie. Zumindest nicht endgültig.
Mit den Menschen die sterben, mit den Häusern, die umgebaut werden, mit den Kindern, die durch die Straßen laufen und die Jette nicht mehr kennt seltsamerweise, wird ihr ihr Dörfchen fremd. Wenn man einige Zeit nicht da war, fällt einem jede Veränderung um so mehr auf, aber Jette geht es schon wie den alten Leuten - die eines Tages ihren Heimatort einfach nicht mehr wiedererkennen. Und sie ist doch noch so jung. Trotzdem, ihr bröselt da wieder einmal Boden unter den Füßen weg. Irgendwie ist es nur noch eine Hinterlassenschaft ihres Dorfes, aber nicht mehr so richtig das ihrige. So langsam aber sicher scheint sie ihr Zuhause zu verlieren. Klar, ein normaler Prozess, sie ist ja auch kaum noch da. Aber ist ihr neues Zuhause dann jetzt in ihrer WG? Lange Zeit war das noch nicht der Fall. Aber jetzt... Wo ist denn Zuhause? Nicht dort, wo man sein Herz hat?
Vielleicht wird ihr ihre Wohnung gerade deswegen jetzt zu einem neuen Heim... weil Jettes Herz beginnt, sich einzunisten.
Zuhause ist auch immer abhängig von Menschen. Und je mehr des alteingesessenen Dorfinventars vom Zeitlichen gesegnet wird und je mehr liebe Menschen sich in der neuen Stadt um Jette scharren, desto mehr scheint sich die örtliche Bezugsgröße zu ändern. Das, obwohl Jette gerade in dieser Stadt nicht heimisch werden wollte. Der Plan war, möglichst schnell irgendwo neu anzufangen. Aber hier hat sie wenigstens schon mal einen Grundstock, der sich ausbauen lässt. Zu einem neuen Leben. Mit den richtigen Leuten ist auch in der alten Wohnung ein Neuanfang möglich - und Arbeit und Risiko in einer neuen Stadt glücklich zu werden (bzw. eben nicht) wären um ein vielfaches größer. Lieber das beste aus dem Vorhandenen machen also. In den letzten Wochen war Jette sogar öfter mal glücklich und unbeschwert. Vielleicht hat das Schicksal ja noch eine zweite Chance verdient...

Mittwoch, 24. April 2013


ELF.

Auf Messers Schneide. Oder Selbstrettende Maßnahmen ("Halt die Klappe!")

Seit ein paar Monaten vergisst Jette manchmal, dass sie krank ist. Manchmal nur ein paar Stunden lang, manchmal auch einen ganzen Tag. Oder vielleicht auch mal zwei, drei. Das Vergessen birgt aber auch eine Gefahr in sich: das Vergessen ist auch ein klein wenig "Verdrängen". Denn nur, weil man gerade nichts fühlt (oder besser gesagt keine graue Leere oder Schmerz), ist man noch lange nicht gesund und heile. Man sperrt den knurrenden Brutus lediglich für eine Weile aus. Er geht mit sich selbst Gassi, sucht sich andere Spielgefährten, streunert so durch die Gegend. Aber: er kommt zurück. Immer. Immer wieder.
Manchmal sind Brutus' Ausflüge berechenbar in ihrer Dauer. Manchmal auch nicht. Dann überlegt er es sich spontan anders und kommt auf eine Stippvisite zurück zu Frauchen. Die dann ganz verdattert ist, dass das schwarze Monster wieder da ist.
Jette will nicht klagen. Brutus' Ausflüge werden immer ausgedehnter und sie hat mehr Raum für sich. Ruhe, Luft, Leben ohne ihn. Trotzdem... wenn er doch nur ganz gehen würde.
Heute war es schon wieder der typische Fall von: Ätsch, Brutus kommt spontan vorbei!
Jette ging es eigentlich gut. Erholsam geschlafen, aufgestanden, in die Uni gefahren. Dann blöde Sachen im Seminar diskutiert. Eine Nachricht von der Schwester, die mal alleine Zeit mit ihrem Mann verbringen wollte. Die Freundinnen, die als Mittagsersatz keine Option waren und dann knurrt und kratzt es schon wieder in Jettes Ohr. Die Stimme kommt raus und sagt "Siehst du, keiner will dich haben. Keiner hat Zeit für dich. Du bist ganz...all-" "ACH, HALT DIE KLAPPE!"'
Jette hat keine Lust auf diesen Mist. Auf die trüben Gedanken, die immer wieder aufschwemmen. Aber sie kommen trotzdem. Das Witterung tut ihr übriges. Wetterfühligkeit. Kreislauf ade. Jette ist ganz schwummrig. Sie muss etwas essen. Herzfrequenz erhöht. Puls. Atmung. Ruhig, ganz ruhig. Es gibt keinen Grund zur Panik. Luft holen. Tief, ganz tiiief. In den Bauch. Ganz voll aufblähen. Und ausatmen. Und wieder ein. Ganz ganz langsam und ruhig. Runterkommen. Es gibt keinen Grund für die Unruhe. Jette muss sie nur in den Griff kriegen.
Ein Stückchen Schokolade für den Blutzuckerspiegel. Hinlegen. Atmen.----------. Atmen.---------- Atmen.-----------
*Schlafen*.
Nach einer dreiviertel Stunde wacht Jette auf. Die Maßnahmen waren erfolgreich. Es geht ihr besser. Kreislauf? Anwesend!
Atmung? Normal!
Herzschlag? Ruhig.
Okay.
Puh.
Also ab in die Uni.
Vorbereitet in die Übung gehen, hilft.
Mitdenken auch.
So wenig kann Jette gar nicht.
"Du warst ja ganz schön aktiv dabei". Oh. Ja, war sie wirklich.
Gut.
Sehr gut.
Also weiter. Auf sich selbst hören. Brutus Knurren zum Nachgeben zwingen. Auf die eigene Stimme hören. Pausen einlegen. Atmen. Zur Ruhe kommen. Und wenn es nur für eine Stunde ist. Das hilft.
Jette würde gerne ihre Tabletten absetzen.
Wieder wissen, wer sie denn eigentlich ohne ist.
Was oder wie sie sich ohne fühlt.
An der Zeit wäre es. Angst hat sie davor trotzdem. Aber zu einem halbwegs normalen Leben gehört irgendwie nicht das "Unter dem Einfluss von Psychopharmaka stehen". Es ist Frühling. Die richtige Zeit zum Aufhören an sich. Irgendwie muss es auch ohne die Dinger gehen....

Montag, 22. April 2013


ZEHN.

Friedenspfeife. Kein "Oder".

Halleluja. Die Wogen haben sich geglättet, das Kriegsbeil wurde begraben, der Klappstuhl wieder verbuddelt und die Friedenspfeife herausgeholt. Kein Stress mehr zwischen Jette und ihrer Therapeutin. Keine große Schlacht, keine beendete Arbeitsbeziehung, nicht mal eine einzige Träne. Und es war gar nicht mal so schwierig, die ganze Wut und den Schmerz rauszulassen. In Worte zu packen, endlich den Druck durch ein Ventil entweichen zu lassen. Und die Auflösung des ganzen Konfliktes, das Ende des ganzen Aufstandes war so einfach, so kurz, so simpel. Jette ist ganz schön sensibel und hat einfach das, was ihr M letztes Mal um die Ohren geknallt hat, als persönlichen Angriff empfunden. Als zutiefst verletzende Unterstellung. Und dabei wollte ihre Therapeutin das gar nicht. Ihr das vermitteln, was Jette eben verstanden hat. Ihr wehtun oder einen Strick drehen.
Nein... natürlich wollte sie das nicht.
Nein.. natürlich glaubt sie nicht, dass Jette ihr absichtlich irgendwas Falsches vorspielt.
Du meine Güte, wer hat denn auch schon die Nerven, sich beim Therapeuten noch zu verstellen?
Also dann müsste man schon mit allen Schauspieler-Wassern gewaschen sein!
Ist Jette aber nicht.
Ist auch gut so.
Also nein, natürlich wollte sie das nicht.
Jette wehtun.
Ist ja klar.
Aber wenn es sich doch so angefühlt hat?
Ganz schön scheiße, wenn man so kaputt ist, so gebrandmarkt, dass man jede kleine Äußerung auf sich bezieht, sie persönlich nimmt und noch ein Stückchen kaputter wird. Ganz schön scheiße, wenn Kommunikation mal wieder nicht funktioniert, zwischen Sender und Empfänger eine riesengroße Störquelle eingebaut ist und etwas lostritt, was gar nicht hätte losgetreten werden müssen.
Ganz schön scheiße, wenn man sich so oft in Menschen getäuscht hat und verletzt wurde, dass man schon fast als Regel davon ausgeht, dass einem die anderen nur schaden wollen.
Aber ganz schön gut, wenn man dann weit genug ist (oder besser gesagt wütend genug), sich ordentlich auszukotzen. Und ganz schön gut, wenn dann ein kurzer Satz der Gegenseite reicht, um all die hochgekochten Emotionen wieder runterzukühlen. "Nein, so habe ich das überhaupt nicht gemeint." Ein paar klärende Sätze hintendran. Ein Hineinhorchen in sich selbst. Dann holt Jette noch alle anderen stressbringenden Wutpunkte heraus, macht sich und ihre Lage verständlich und dann ist alles ganz einfach. Dann kann man plötzlich einfach das Streichholz zücken und die Friedenspfeife anzünden und rauchen. Und dann ist alles plötzlich auch wieder gar nicht mehr so schlimm.
Denn schlimm ist es, wenn man alles und jeden nur noch hinterfragt. Nichts und niemandem und nicht einmal sich selbst mehr über den Weg traut. Nicht mehr vertraut. Nicht sich und nicht den anderen. Wenn man sich selbst verliert, in diesem großen Gedanken- und Angstdschungel.

Sonntag, 21. April 2013

I can't change. Even if I tried. Even if I wanted to...


NEUN.

"I can't change. Even if I tried. Even if I wanted to..." Oder Wie ein eingetretens Kellerfenster.

Jettes Kopf ist mal wieder so unendlich voll. Die Gedanken wirbeln nur so durcheinander. Die letzten Tage waren unglaublich vollgestopft. So viel ist passiert. Viel Gutes hat sie geschafft und gemeistert, viel wurde aber auch mal wieder losgetreten. Eine geistige Lawine trotz Plusgraden. Irgendwie sollte sie so langsam mal diese Tabletten absetzen. Im Moment hat sie das Gefühl, dass die sie noch wirrer machen. Alles noch verzwickter, weil sie Jette sich ein wenig neben sich stehen oder eher sowas wie "über sich" schweben lassen. Komisches Gefühl, schwer zu beschreiben. Zu dieser gewissen Fremdheit kommt noch eine unglaubliche Wut auf ihre Therapeutin dazu. Bei der letzten Sitzung hat sie Jette einfach alles, was sie gesagt und selbst über sich festgestellt hat, umgedreht und ihr irgendwelche Unterstellungen in die Schuhe geschoben, die so einfach nicht stimmen. Aber nachdem sie das Desaster mal einigen Freunden geschildert und die Befangenheit wenigstens kurzzeitig in den Schrank gesperrt hat, macht alles unter Umständen ein bisschen mehr Sinn. Oder lässt Jette zumindest nicht mit einem Wutpegel von 300 morgen früh zu der guten fahren und innerhalb von einer Minute in die Luft gehen. - Hoffentlich.
Eins vergissst sie manchmal: Psychologie ist immer noch Manipulation. Im besten Fall sollte man natürlich davon ausgehen, dass ihre Therapeutin ihr nichts Böses will. Im Gegenteil. Aber manchmal, manchmal, wenn es so wehtut, was sie da zu hören bekommt, dann zweifelt Jette daran. Und ganz im Gegenteil zu anderen Malen waren es vergangene Woche kein "unangenehmes Stoßen auf Wahrheiten", sondern schlichtweg ungerechte und ungerechtfertigte Vorwürfe, die Jette zutiefst getroffen haben.
Alles Absicht?
Vermutlich.
Aber Manipulationsspielchen birgen eine Gefahr in sich: sie können auch immer nach hinten losgehen! Jette fühlt sich momentan so missverstanden von ihrer Therapeutin, so verraten und ausgespielt, dass sie am liebsten "Schluss machen" würde. Aber das war wohl nicht der Plan. Und das wäre auch nicht klug... Wie sollte es dann weitergehen?
Vermutlich war der "Angriff" wirklich perfide eingefädelt und sollte eine Bewährungsprobe sein. Aber Jette fühlt sich einfach nur gestoßen und ist frontal mit dem Kopf zuerst auf den Asphalt geknallt. Und blutet und hat Schmerzen und Schwindel und ist ganz durcheinander. Immer, wenn sie gerade ein Stückchen weit laufen kann, wird sie wieder geschubst. Das ist nicht fair. Kaputt sein ist so schrecklich. Nie scheint es aufzuhören, immer scheinen alle anderen "normal zu sein", "leben zu können", diese ganz einfachen Dinge tun zu können. Und Jette kann so vieles nicht. Macht sich den Druck von außen immer noch größer, verbaut sich mit ihren eigenen Erwartungen an sich alles und leidet einfach an sich selbst. Fühlt sich wie ein eingetretenes Kellerfenster und will doch einfach nur heile sein....

Donnerstag, 11. April 2013


ACHT.

Zufrieden. Oder Vom Wunderwerk Gehirn.

Jette sitzt auf dem Balkon. Guckt in den Himmel. Keine Sterne. Na doch, da sind sie ja. Nur nicht sichtbar. Der Frühling lässt zwar noch zu wünschen übrig und von "milden Temperaturen" kann man auch nicht gerade sprechen, aber immerhin lässt sich so ein kleines Arbeitspäuschen draußen verbringen. Und ab der nächsten Woche wird das Wetter bestimmt besser. Angrillen und sowas.
Jette sitzt und denkt nach. Nicht, dass sie das sonst nicht tun würde. Im Gegenteil. Vielleicht sollte man eher sagen "Jette sitzt und resümiert". Nämlich das, was grad gut ist. Und gut ist einiges.
Gut (oder eher "schön") ist ihre Wohnung. Und jetzt, wo Jette wieder Kraft hat, mehr Mühe und Liebe in sie hineinzustecken, umso schöner. Gut (oder eher sehr angenehm und witzig) sind ihre Mitbewohner. Gut ist, dass Jettes engste Freundin wieder zurück in der Stadt ist und sie jetzt direkt um die Ecke wohnt. Ihre Therapeuten-Freundin, wie sie sie insgeheim betitelt.
Gut ist, Leute in der Uni zu haben, mit denen man in den Seminaren quatschen kann und die einem das Gefühl geben, nicht hoffnungslos verloren zu sein in dem Kurs.
Gut (aber auch anstrengend) ist, das Studium zu haben. Immerhin, einen Inhalt, eine Tagesstruktur, eine Weitung des Horizontes. Gut ist, mit dem Kram fast fertig zu sein, sodass das kommende Semester das letzte "richtige" mit einem normalen Umfang an Veranstaltungen wird. Gut ist leider nicht die Zufriedenheit mit dem Studium. So viel Blabla, so viel theoretisches Gedöns. Was soll man damit nur machen? Irgendwie reicht es langsam. Jette braucht was "Vernünftiges".
Morgen will/soll/kann sie eigentlich zur Studienberatung. Schritt 3 des Masterplans. Herausfinden, ob das mit dem Psychologiestudium vielleicht klappen kann. Aber irgendwie hat Jette auch Angst, den Tatsachen ins Auge sehen zu müssen. Morgen könnte die schöne Seifenblase platzen. Und das wäre ganz schön demotivierend. Andererseits muss Jette sich da auch wirklich schlau machen, damit sie zur Not die Idee fürs Erste begraben kann. Und vor allem sitzt ihr ihre Therapeutin im Nacken. Wenn sie der am Montag nicht berichten kann, wie der "Schritt-Stand" ist, dann zweifelt sie sicherlich an der Ernsthaftigkeit des Unternehmens. Und dieser Eindruck soll auf keinen Fall entstehen. Wenn sich Jette mal etwas in den Kopf gesetzt hat.........
Wie dem auch sei, während Jette und sitzt und denkt und resümiert, stellt sich ein seltsames Gefühl ein: eins der Zufriedenheit. Augen haben für die guten Dinge, die einen umgeben, ist wichtig. Und gerade das ist bei Depressionen ja in der Regel nicht möglich.Was ein Fortschritt also, dass Jette das jetzt anders wahrnehmen kann bzw. dass sich einfach auch viele Dinge zum Positiven gewendet haben.
Was trotzdem immer noch in den Knochen steckt, ist die Angst. Bei dem Satz "Aufschub für die Abgabe von Hausarbeiten gewähre ich bei Krankheit, Praktika und Familientragödien" zieht sich plötzlich wieder alles zusammen in Jette. "Bitte nicht schon wieder", denkt sie nur. In solchen Momenten wird ihr einfach erneut unangenehm bewusst gemacht, dass es eben jederzeit wieder schlimm kommen kann. Dass es keine Garantie dafür gibt, dass es vorbei ist. Aber lieber nicht zu viel drüber nachdenken....
Jette sitzt und denkt und resümiert und staunt. Staunt über das Wunderwerk Hirn. Vor ein paar Tagen saß sie in Psychologie-Vorlesungen. Und hat jetzt noch mehr Blut geleckt als vorher. Sich wieder ein Stück mehr mit der Materie beschäftigt. Sitzt und denkt und resümiert und staunt darüber, dass sie denken kann, dass sie denken kann. Dass sie ein Bewusstsein darüber hat, dass sie ein Bewusstsein hat. Dass ihr bewusst ist, welch unglaubliche Leistung das menschliche Gehirn in jeder Sekunde erbringt. Dass es ihr ein bisschen unheimlich ist, ein so großes Bewusstsein fürs Bewusstsein zu haben. Um das unglaubliche menschliche Vermögen zu wissen.
Was solls... alles schreit nach einem Psychologie-Studium. Sie wird sich wohl ein Herz fassen müssen morgen und einfach hören, was die Studienberatung zu sagen hat. Im Moment klappt das ja ganz gut, mit den Selbsterfüllenden Positiven Prophezeiungen. Mit dem An's-Gute-Glauben. "Geben Sie nicht immer so schnell auf...". Na gut. Also kämpfen und hoffen...

Dienstag, 9. April 2013


SIEBEN.

"Einfach aufstehen und gehen!". Oder "You need me man I don't need you".


Ab und an gibt es sie. Diese Momente, in denen Jette an ihre alte Deutschlehrerin denkt. Die die unerschütterliche Meinung vertrat, dass es das gute Recht eines jeden ist, aufzustehen und zu gehen, wenn das, wo er oder sie gerade sitzt, irgendwie so richtig schief läuft. Es einem gegen den Strich geht, man Lebenszeit verschwendet. Man sich über die vergeudeten Minuten ärgert, oder über jemanden. Während der Therapie gab es bislang 2 Male, wo Jette auch am liebsten aufgestanden und gegangen wäre. Nicht wegen unnütz aufgewendeter Zeit hingegen, sondern weil es so unangenehm war. Hat sie aber nicht gemacht, wäre wahrscheinlich auch nicht sooo gut angekommen.
Heute allerdings saß sie in der Uni. Und wäre am liebsten aufgestanden und gegangen. In Jette hat es gebrodelt. So ein .... TYP!!! Was manche Leute auf sich geben! Immer wieder unfassbar. Manche Menschen dürfte man gar nicht auf andere loslassen. "Der Text ist wohl nicht sexy?" und "ICH mache hier die Regeln".......(man stelle sich dazu ein selbstgefälliges, ekelerregendes Lächeln vor). Brodel, brodel, brodel. Jettes Wutpegel steigt. Und steigt. Und steigt. Und im Endeffekt ist sie die Dumme im Raum, bekommt den unliebsamen Referatstext aufgebrummt. Von einem selbstverliebten Schnösel. Der wohl absichtlich ihre Meldung für die anderen beiden Themen übersehen hat. Und nach weniger als einer Stunde schon in ihrer Missgunst steht. Aber so richtig.
Einfach aufstehen und gehen?
Kommt nicht so gut unter Umständen. Soll Menschen geben, die sich sowas merken. Und einen dann auf dem Kieker haben.
Einfach ärgern lassen? Jede Woche? Zwei mal?
Und sich von so jemandem noch bewerten lassen?
Nein.
Prioritäten setzen!
Taktisch klug vorgehen.
Also noch die zweite Sitzung abwarten und sich dann geschickt aus dem Seminar abmelden. Vielleicht wegen "zeitlicher Überschneidung" oder sowas.
Die Zeiten, wo Jette sich mit unliebsamen Menschen immer wieder rumgeärgert hat, sind vorbei. Das hat sie nicht nötig. Dazu ist sie sich zu schade. Also auf die innere Stimme hören und tun, was zu tun ist. Sich dabei aber wenn möglich nicht ins eigene Fleisch scheiden....

Freitag, 5. April 2013


SECHS.

Outing. Oder Kopfüber in die Selbstoffenbarung.


Das hat gesessen. Darauf jetzt normalerweise einen Schnaps. Aber der verträgt sich nicht mit den Tabletten. Und nicht mit dem gereizten Magen. Also keinen Schaps. Muss ohne gehen.
Gerade ist es passiert. Einfach so, ohne Vorbereitung.
Aber Jettes Maxime ist Ehrlichkeit. So weit, wie man die eben praktizieren kann. Alles andere liegt ihr nicht, alles andere will sie auch gar nicht.
Jetzt ist es also raus. An die erste fremde, nicht nahestehende Person.
Das Outing, nein, ich bin nicht gesund. Das Outing, ich habe Depressionen.
Alles begann so unverfänglich. Beim Versicherungsmann. Und auf einmal war von einer Erwerbsminderungsversicherung die Rede. Von einer Absicherung - "Falls man Burnout bekommt oder nervliche Probleme. Oder was man heute so kriegt, womit aber keiner rechnet." Von "Aber Sie sind ja sicherlich gesund."
Da musste Jette schon schlucken. Dieses ewige Schweigen. Wenn man doch in die Menschen hineinsehen könnte...
Und dann, dann kam die Stunde der Wahrheit. Denn erstens kann Jette ihre Versicherung nicht anlügen (sie hätten es eh bei Erkundigungen bei Arzt oder Krankenkasse herausbekommen) und zweitens ist es doch auch das, was sie die ganze Zeit wollte. Die Tabuisierung beenden. Für Aufklärung kämpfen. Für Verständnis. Zu sich mit der Krankheit stehen. Das Thema ins Bewusstsein anderer rücken.
Sie hatte keine Wahl.
Nach "Aber Sie sich ja sicherlich gesund" entgegnete sie also "Und was wenn nicht?----"
"Was haben Sie denn?"
"Depressionen" ------------------
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Der arme Mann tat ihr richtig leid. Damit hatte er nicht gerechnet.
"Das sieht man Ihnen aber nicht an."
"Nein, ich bin ja auch wieder halbwegs auf dem Damm. Seit Februar geht es ganz gut. Letztes Jahr hat man mir es wohl angesehen."
Nachdem der gute Herr den ersten Schock überwunden hat, reagiert er aber eigentlich ziemlich professionell. Fragt, wie das denn kam. Erzählt von einer anderen Betroffenen. Zeigt Mitgefühl, aber kein Mitleid. Aber schockiert ist er doch.
Ob die Versicherung Jette so nimmt?
Fraglich.
Das ist halt das Tribut von Brutus. So einfach ist das eben alles nicht mehr mit ihm.
Und nur, weil man jung ist, ist man lange noch nicht gesund.
Und man kann eben in niemanden hineinsehen.
In niemanden.

Ob jetzt wohl eine Lawine der Rederei losgetreten wurde? Hat der Mensch nicht eigentlich auch eine Schweigepflicht? Aber man weiß ja, wie das so läuft. Gerade auf dem Dorf. Vielleicht reden bald alle. Vielleicht auch nicht. Aber wenn, dann soll es halt so sein. Dann war es an der Zeit, dass es mal rauskommt. Dass das gemeine gelangweilte Volk mal wieder was zum Tratschen hat. Jette ist hoffentlich an einem Punkt, wo sie damit umgehen könnte. Oder falls sie jemand drauf ansprechen sollte (was sich natürlich niemand traut!), vielleicht angemessen reagieren würde...
Immerhin, als Jette geht, sagt der Mensch "Na, da konnten wir Sie doch schon mal ein bisschen aufmuntern, wenn das jetzt geregelt ist."
Und tätschelt ihr im Gehen den Arm.

Dienstag, 2. April 2013

Ein Osternest für Schnattchen mit Schnattchen.


FÜNF.

liebeserklärung (mit kleinem "l") Oder Kaputte Kinder.

In allem Schlechten ist auch was Gutes. Und das stimmt. Und Schreiben öffnet Welten (und Türe und Tore und Pforten und Fenster und Läden und Herzen). Das Gute daran, seine alten besten Freunde zu verlieren, ist, dass Platz für neue beste Freunde ist. Oder für einen. Oder für eine. Letztlich nicht so wichtig, ob sich das oberste Treppchen geteilt werden muss, ob es mit Männlein oder Weiblein besetzt ist. Zählen tut, was drin ist. In dem, der draufsteht. Und in Jettes jetzigem besten Freund ist ganz ganz viel Gutes drin. Selten war jemand in so kurzer Zeit so süß zu ihr. Nie eigentlich. Brutus kann tatsächlich nicht nur zerstören, sondern auch schöpfen und verbinden. Und was die Bestie da angezogen hat, das ist vermutlich der tollste beste Freund den man haben kann. Seltsam und schön, wenn man mit jemandem, den man eigentlich schon länger kennt, das nächste Freundschaftslevel erreicht. Die nächsthöhere emotionale Stufe. Vielleicht sogar die höchste überhaupt. Wenn da draußen irgendwo eine inhaltliche Kopie davon rumläuft und die Optik ebenfalls passt, dann hat Jette doch noch Hoffnung, dass es einen passenden Mann für sie gibt. Aber Geduld ist ja die Mutter der Porzellankiste, oder wie war das? Sollte der Gute irgendwann ganz unerwartet aus dem Nichts springen, dann wäre es Zeit für eine Liebeserklärung mit großem "l". Solange muss es das kleine "l" tun. Kommt Zeit, kommt Rat?
Was die beiden Verrückten eint, ist ihr "Kaputt Sein". Gleich und gleich gesellt sich gern? Gleich und gleich versteht sich gern!
Was die beiden eint ist, ist der Schmerz. Der gleiche Schmerz. Die gleiche Wut. Die gleiche Unsicherheit. Das gleiche Nichtwohinwollenkönnenmüssendürfenwissen.
Kaputte Kinder verstehen sich.
Kaputt, weil die älteren schon kaputt sind. Nie was dagegen unternahmen. Kaputt, weil die es nicht besser vormachen konnten. Kaputt, weil sie es so übernahmen. Kaputt, weil die jetzt es wieder an ihnen jetzt fortsetzen. "Am besten du sagst überhaupt gar nichts mehr!". Kaputt, weil die sie kaputt machen. So lasst sie doch heile sein. Heile werden, wenn schon kaputt.
Kaputt, kaputt, kaputttttttttt.
Jette ist müde.
Sie muss mit ihren Therapeutin reden.
Licht schaffen im kaputten Kopf.