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Montag, 20. Mai 2013


ACHTZEHN.

Befreit? Oder "Dann kommt dein alter Affe Angst und tanzt und tanzt mit dir"

Gestern ist es das erste mal passiert. Überhaupt und nach über einem Jahr. Jette ist mal wieder an der Tür ihres Ex vorbeigefahren, hat sein Auto gesehen und....

NICHTS.
Es ist nichts passiert.
Lediglich eine Zur-Kenntnis-Nahme.
Das Auto steht da.
Ja.
Schön.
Und?

Endlich. Endlich kein Schmerz mehr, keine Wehmut, keine Angst, keine Panik, keine Schnappatmung, kein gar nix.
Endlich frei.
Denkt Jette.
Heute morgen ist sie das nicht.
Frei.
Frei von ihm, ja.
Aber nicht frei von ihr.
Von der alten Bekannten Angst.
Heute ist Angst-Tag. All eyes on... Angst.
Angst, die ganze Arbeit, die vor Jette liegt, nicht zu schaffen.
Die Präsentationen nicht souverän zu meistern.
Angst, im Sommer nicht mit den Hausarbeiten fertig zu werden.
Angst, sich nicht auf das mögliche Psychologie-Studium vorbereiten zu können. Wie hat sie sich das eigentlich gedacht alles?!?
Angst, nachdem der Schwiegervater von Jettes Schwester gestorben ist, wieder jemand Nahestehendes zu verlieren.
Angst, an den ganzen kaputten Menschen um sie herum zu zerbrechen.
Angst, wieder einmal verletzt zu werden. Zu verlieren, woran sie ihr Herz gehängt hat.
Angst vor der Angst.
Jette versucht es mit der Realitätsüberprüfungsmethode. Die Angst, die gerade durch den Kopf schwirrt, nur als Gedanken, als Befürchtungen und oder schlechte Erinnerungen wahrnehmen. Zu schauen, welche Angst denn überhaupt berechtigt ist und welche abwegig. Denn es gibt sie nicht, diese Prophezeiung. In der steht, was passieren wird. In der Ereignisse als sich immer wiederholend festgehalten sind. Die Jettes ganzes Leben bestimmt.
Es gibt sie einfach nicht.
Viele der Dinge liegen in Jettes eigenen Händen.
Aber die sind heute ganz taub und schwer.

Samstag, 11. Mai 2013


SIEBZEHN.

"Die Glücksformel". Oder Von diebstahlgeschützten Momenten.

Jettes Papa hat ihr zum Geburtstag ein Buch geschenkt. Es heißt "Die Glücksformel oder Wie die guten Gefühle entstehen". Klingt vielleicht ein bisschen nach esoterischem Kiki oder nach abgedroschenem und ausgelutschtem Selbsthilfekram, aber ist es ganz und gar nicht. Im Gegenteil. Es ist von einem Naturwissenschaftler und Journalisten, der wunderbar leichtlesig von sich gibt, was er so zu sagen hat und geht dabei hindurch durch Ethnologie, Psychologie, Biologie, Soziologie, Philosophie und alles, was man eben so passenderweise zur Erörterung der "Thematik Glück" heranziehen kann. Und das macht er grandios. Allen denen, die vielleicht gerade einmal wieder im grauen Nebelsumpf gegen das Versickern kämpfen, ist dieses Stück Lektüre bestimmt eine Hilfe. Denn: ähnlich wie bei der Psychotherapie gibt es eine Kernbotschaft: Glück ist erlernbar. Ähnlich, wie bestimmte Verhaltensweisen also veränderbar sind, ist es die Präsenz oder das Abhandensein von Glück also auch - beeinflussbar. Was für eine wichtige Feststellung!
Wenn auch im Laufe des heutigen Tages bei Jette immer mal wieder graue Gedankenknäule aufgezogen sind, so durfte sie doch für eine Zeit lang trotzdem ein Stück von dem Glück haben. Mit der richtigen Musik, mit den richtigen Leuten und dem richtigen Essen. Manchmal ist alles so einfach.
Vielleicht ist es nur geborgt, dieses Glück. Aber eins steht fest: jeder gute Moment, den es gab, jeder einzelne bleibt. Und nichts und niemand kann ihn Jette mehr nehmen, wenn er einmal da war.

Dienstag, 7. Mai 2013


SECHZEHN.

"Kannst du mein Monster halten? Kannst du mein Monster halten? Kannst du mein Monster halten, kannst du, kannst duuu?" Oder Du bist nie so allein, wie du dich fühlst.


Jette hat sie gekriegt. Die Kurve. Mit Kratzern und Beule im Schutzhelm, aber sie ist nicht vollständig über die Bande geflogen, nicht halbtot im Straßengraben liegen geblieben, nicht unbemerkt vom Rest der Welt von der Bildfläche verschwunden. Uff. Gut.
Seit heute Mittag geht es wieder besser. "Land unter" erst mal vorbei. Brutus hatte jetzt 2,5 Tage vollste Aufmerksamkeit, nun reicht es aber auch für die nächste Zeit.
Oder anders: der Geist von Brutus hatte 2,5 Tage vollste Aufmerksamkeit. Denn es ist ein Trugschluss zu glauben, dass er immer noch das gewaltige, mächtige Untier ist. Das ist er nicht mehr. Jettes Kopf und oder Gefühl gaukelte ihr gerade etwas vor. Das weiß Jette. Auch wenn es sich gerade nicht so angefühlt hatte. Im Gegenteil. Es war wie eine Zeitreise ins Trübe zurück. Alles wie gehabt. Alles genauso trostlos, sie genau dasselbe Wrack, keiner da, der sie versteht. Oder der Brutus irgendwie bändigen könnte.
Aber nein: HALT STOPP!
Mit weniger Tabletten schafft Jette es vielleicht nicht allein, das Monster zu halten. Aber muss sie das denn?
Muss sie immer alles allein machen wollen?
Kann man das denn?
Nein, kann man natürlich nicht.
Muss man ja auch gar nicht immer.
Eins hat sie gelernt und eins hat sich auch einfach verändert: selbst, wenn es manchmal so scheint: sie ist nie so allein, wie sie sich fühlen mag.
Manchmal muss man eben einen Moment aushalten, aber: sie sind da. Die guten Helfer. Kommen aus ihren Verstecken gekrabbelt, fragen, wie es geht, versuchen aufzumuntern, würden ihr Bett teilen. Finden sie gar nicht so doof, wie sie sich selbst findet. Wollen etwas mit ihr unternehmen. Berichten von gleichen Macken wie Jette. Geteilter Putzwahn ist halber Putzwahn.
Können sie ihr Monster halten? Können sie ihr Monster halten? Können sie ihr Monster halten?
Ja, wahrscheinlich können sie das tatsächlich.
Mit vereinten Kräften.

Sonntag, 5. Mai 2013


FÜNFZEHN.

Wie durchgekaut und ausgekotzt. Oder "Hallo Brutus!"

Was eine miese Woche. Gut, dass Sonntag Abend ist. Vielleicht (oder eher hoffentlich) werden die kommenden sieben Tage besser.
"Ich komme ganz gut zurecht", hat Jette am Freitag noch ihrer Therapeutin geschrieben. Ach ja? Und wo ist der jetzt hin? Dieser gewisse "Ich komme ganz gut zurecht"?
Am Nachmittag zur Abwechslung mal wieder geweint. Druck ablassen. Doch ein schlechtes Timing mit dem "Tabletten reduzieren". Denn jetzt ist das in der Art eingetreten, was Jette vermeiden wollte: mit einem knurrenden Brutus allein dasitzen. Aber M musste ihr für morgen früh absagen und Jette kann lediglich am Dienstag bei ihr anrufen, um sich neue Termine für nach den Ferien zu machen. Toll.
Klar, es gab in vergangenen Tagen einige "blöde" Ereignisse.
Wenn jemand stirbt, ist das immer ein Problem (wäre es jemand Nahestehendes, dementsprechend eine Tragödie).
Wenn jemand auszieht, nimmt Jette das wieder die lange Hoffnung auf einen festen Ort, den sie irgendwie als "Zuhause" bezeichnen kann. Einen Ort, wo alles gut ist. Wo sie sie ist. Eine Höhle. Ein Nest. Das hat sich nun wohl wieder erledigt. Dabei wäre es so wichtig. So wichtig.
Aber ist es das allein? Das beides? Zusätzlich zu möglichen Reduktionserscheinungen der Medikamente natürlich?
Da ist noch mehr, was knurrt und beißt und zieht und zerrt. Es ist die Erkenntnis.
Eigentlich dachte Jette, neue Wahrheiten zu erkennen, haut sie inzwischen nicht mehr um.
Dachte sie sich so töricht.
Freitag war Erkenntnis-Tag. Und da tat nix weh.
Und jetzt, jetzt tut es das. Weh.
Wehe mir. Wehe dir. Wehe Brutus.
Jette hat nur im Beipackzettel der Tabletten ihres Mitbewohners gelesen.
Depersonalisierung.
Ach, für das komische Gefühl gibt es also sogar  einen Namen?
Na sehr schön!
Agoraphobie.
Aha.
Ja, "Platzangst", okay, hat sie ja nicht, weitermachen, kein Ding, alles gut.
Moment.
Es geht nicht um Klaustrophobie. Es geht um die Angst vor einem bestimmten Platz.
"Immer die Flucht ergreifen". "Ganz am Rand sitzen". "Nicht weit weg fahren können". "Weite Plätze meiden".
Scheiße.
Gleiche Website, anderes Problem:
Soziophobie.
Scheiße. Scheiße. Scheiße.
Brutus hat also Spielgefährten.
3.
Mindestens.
Und M hat darauf schon angespielt.
Sie hat so Recht. Darum windet und wendet sich Jette dauernd. Immer schön Feinden ausweichen. Situationen vermeiden. Und die zugehörigen Gefühle.
Verdammt.
Ja, darauf angespielt hat sie schon mehrmals.
Jetzt spielt Jette mit.
So ne einfache Depression ist ja auch viel zu eintönig.
Schreibt Jette und sitzt im Dunkeln.

Donnerstag, 2. Mai 2013


VIERZEHN.

Schlag in die Magengrube II.

Er geht mal wieder um. Der Tod. Klopft hier und da an die Tür und nimmt sich, was er will. Ohne Einsehen. Jette ist geknickt. Mal wieder so ein unvorhergesehener Fall. Dieses mal ein ehemaliger Lehrer von der Schule früher. Puh. Zum Tränen vergießen reicht es nicht, zum Fasern Zusammenziehen aber schon. Sie kann es nicht. Sie kann es einfach nicht. Mit dem schwarzen Mann umgehen. Immer noch nicht. Und es hört nicht auf. Immer und immer wieder müssen Menschen gehen. Einfach so. Viel zu früh. Ohne alt und glücklich und erfüllt und mit sich und der Welt im Reinen gewesen zu sein.
Komisches Ding, dieses Leben.
Grausames Ding, dieser Tod.

Mittwoch, 1. Mai 2013


DREIZEHN.

Schlag in die Magengrube. Oder "Prüfung".

Wieder mal ist es passiert. Aus dem Nichts heraus eine böse Überraschung, mit der Jette absolut nicht gerechnet hatte. Gerade hatte sie begonnen, ihre "Zuhause-Problematik" zu lichten, gerade hatte ein Verlagerungsprozess der identitätsstiftenden Örtlichkeiten begonnen, gerade hatte sie sich in ihrer WG so wohl gefühlt, gerade hatte sie ihre Tablettendosis verringert und gerade war doch so vieles so gut. BUMM. Ein Schlag in die Magenkuhle und das fragile Kartenhaus beginnt bedrohlich zu wackeln.
"Ich muss euch was sagen... Ich ziehe aus."

Das hat gesessen.

Scheiße.

Stimmung im Eimer, Woche gelaufen. Jetzt hilft nur noch Schnaps. Viiel Schnaps. Frustbesäufnis von Jette und ihrer Mitbewohnerin. Die Küche sieht aus wie ein Schlachtfeld, die leeren Flaschen demonstrativ aufgereiht. Guck, deinetwegen betrinken wir uns jetzt!...

Das ist nicht fair. Kann nicht einfach mal Ruhe einkehren? Wenn etwas gut ist, das auch mal bleiben? Aber so viele Menschen der letzten Jahre waren Jette immer nur Wegbegleiter, die eben ein Stück lang eine Zeit lang mitgekommen sind. Und dann wieder weg waren.
Gerade entstand in ihrer Wohnung sowas wie ein neues Zuhause, das sich für Jette auch immer (oder eher "vor allem") über Menschen definiert. Und dieser eine Mensch scheint nun laut "Bestimmung" nicht in den neuen Zuhause-Begriff gehören zu sollen.
"Wo findet man heutzutage noch so einen Jungen?"
Tja, das weiß Jette auch nicht.
Trotzdem muss und wird es irgendwie weitergehen. Wie immer. Irgendein Sinn wird schon dahinter stecken - wie immer. Und vielleicht tut sich dann ja etwas gutes Neues auf - wie manchmal. Auch, wenn es gerade wehtut.
(Heute Nachmittag, als Jette dann aus ihrem Rausch-Schlaf aufgewacht ist, war natürlich die Küche aufgeräumt, der Abwasch gemacht. "Wo findet man heutzutage noch so einen Jungen?")