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Mittwoch, 24. Juli 2013

AbschiedE.


SIEBENUNDZWANZIG.

Ein Abschied kommt selten allein. Oder Vom Los- und Gehen lassen.

Jette hasst Abschiede. Weiß sie. Gut, wer mag schon Abschiede? Sicher die wenigsten.
Aber Jette nennt eine tiefsitzende, fest innewohnende, sich panisch-wehrende, sträubende, kratzende, schreiende panische Angst-Abneigung vor Abschieden ihr eigen, dass es wirklich nicht mehr feierlich ist.
Nun steht er an, der Tag der Abschiede, wobei der Begriff "Tag" in diesem Fall dehnbar ist und den 24-Stunden-Rahmen sprengen wird. Nennen wir es der Einfachheit halber trotzdem "einen Tag".
Er steht also an, der Abschieds-Tag.
Abschiede-Tag.
Denn ein Abschied allein reicht ja nicht.
Nein, es müssen gleich drei von der Sorte sein.
Im Kopf war die ganze Zeit schon über klar "Kommende Woche musst du da durch."
Na gut.
Na fein.
Aber wissen und wissen ist zweierlei.
"Jaja, klar, sind die dann weg und das ist schade und traurig und bestimmt bin ich dann auch traurig, aber...."
Ja was "aber" eigentlich?
Mist, das Biest rückt näher.
Es ist nicht mehr weit weg.
Es ist MORGEN. ER ist morgen. DER Abschiede-Tag.
Und Jette hasst doch Abschiede.
Es ist, wie wenn man früher auf die Ferien gewartet hat. Oder auf das In-den-Urlaub-fahren. Es war immer so unglaublich weit weg und trotzdem bewusst, eines Tages ist es da. Und die Zeit war so gnädig und zäh und es wollte und wollte einfach nicht passieren, dass er kam, dieser Tag. Und doch, eines Morgens stand er schließlich vor der Tür, klingelte und klopfte nicht, trat einfach ein und - war da.
Und morgen wird er da sein.
Vielleicht mit Klingeln. Dennoch unabwimmelbar.
Jette bastelt für ihre beste Freundin in der Stadt ein Abschiedsgeschenk. Also eine Abschieds-Geschenke-Tüte eigentlich. Und das ist es, das Ritual, das sie braucht. Das Ritual, dass im Kopf und im Gefühl den Prozess starten lässt "Morgen das letzte Mal Sehen für lange Zeit".
MORGEN.
Ja, morgen verdammt!
Und Jette merkt, der schwere Mantel kommt. Nicht mal unbedingt Brutus, schlichte Traurigkeit. Die gute alte, schnöde Traurigkeit. Absolut berechtigt. Absehbar. Und dennoch überraschend.
Es wird ein Wiedersehen geben, mit ihrem Steinchen. Das weiß Jette und der Gedanke stellt wenigstens ein bisschen Trost dar. Aber obwohl MORGEN schon am Horizont erkennbar ist, ist MORGEN noch so unfassbar. Morgen schon?
Kann doch gar nicht sein.
Auch MORGEN geht Jettes Mitbewohner. Endgültig. Seltsamer Auszug, aber vielleicht eh ein seltsames Völkchen per se. Diese Künstler. Auch dieser Weggang so unecht. Da fehlt es noch, das Ritual. Aber ist ein leeres Zimmer nicht Beweis genug für die Echtheit der Tatsachen, die der Kopf glauben macht?
Abschied Nummer drei, auch MORGEN. Vermutlich. Wenn man Worten glauben schenken, Aussagen von Menschen vertrauen darf. Sollte man. Was bleibt einem sonst schon (abgesehen von der Angst)?
Also auch MORGEN ein weiteres Loslassen. Ein "Für immer und wir sehen uns nie wieder-Loslassen". Klingt schrecklich. Ist es vielleicht gar nicht, weil der Wegfall etwas alten eben immer auch das Nachrutschen etwas neuen beinhaltet. Sagt der Kopf. Und sagt die Erfahrung. Vielleicht ganz gut, dass das ErFassungsvermögen des Verstandes begrenzt ist. Kein Mensch kann den Inhalt "Abschied für immer" begreifen. Niemand. Dazu reicht er nicht aus, unser bescheidener Horizont. Aber alles hat ja einen Sinn, eine Funktion und so sollten wir einfach annehmen, dass wir manche Dinge nicht begreifen können. Es ist gut, dass wir bestimmte Verluste nicht fassen können, denn könnten wir es, würden wir an dem Schmerz verkümmern, ohne Chancen auf neues Austreiben.
Mit Glück bekommt Jette es. Ihr Abschieds-Ritual. Um das so schwer (be)greifbare immerhin erahnen zu können. Um mitzugestalten, was es zu verabschieden gilt. Um mitspielen zu können und nicht stummer Statist zu sein.
Er wird sacken, der Schmerz.
Er wird ankommen und unheimlich präsent sein.
Er wird aber auch vergehen. Eines Tages. Wenn wieder etwas neues Gutes kommt. Oder wiederkommt.

Montag, 22. Juli 2013

Wie mit den Vögeln fliegen, wenn man nicht federleicht ist?


SECHSUNDZWANZIG

Monsterbändiger. Oder "Es geht nicht darum, glücklich zu werden, sondern es einfach zu sein"

Verdammt! Es gibt ihn. Was heißt "ihn", es gibt mindestens einen! Womöglich noch mehr von der Sorte!
Es gibt mindestens einen so lebensfrohen, optimistischen Ritter, der in der Lage ist, das Monster in Schach zu halten, gar zu zähmen, längerfristig wohl sogar in der Lage gewesen wäre, es zu töten!
Es gibt ihn, den ebenbürtigen Feind für Brutus!
Es gibt ihn, den wundersamen Retter, der so viel heilen kann und es so sanft und selbstverständlich tut.
Es gibt ihn, auch für Jette, ganz unerwartet nahm er plötzlich Form an, obwohl er doch schon die ganze Zeit über da war.
Ein Befreiungsschlag. Der Fluch aufgehoben.
Offensichtlich kann es doch passieren. Einfach so. Dass da jemand ist, dass es passt. Wenigstens für eine offene Zeitfensterbreite.
Und für diese paar Zentimeter war alles gut. So einfach und zufrieden und gut.
So glücklich.
Einfach so.
Und genau darum geht es, sagt der Ritter. Darum, nicht immer "irgendwann einmal" glücklich werden zu wollen, sondern es einfach zu sein. Einfach so. Jetzt.
Einfach so.
Und für eine Zeitfensterbreite kann Jette das auch spüren. Dass alles so federleicht sein kann. Dass alles wie kleine Schäfchenwolken über den stahlblauen Himmel schwebt. Ohne schwer zu sein. Ohne kompliziert zu sein.
Sie war so unendlich dankbar. So aufrichtig dankbar für diese Erlösung.
Für den Beweis, dass es sich lohnt zu hoffen, dass wieder etwas Gutes passiert. Weil wieder etwas Gutes passiert. Und am ehesten, wenn man sich gedanklich -einfach- löst, man mit nichts rechnet, man nichts erwartet, man auf nichts eingestellt ist.
Sie sollte immer noch dankbar sein. Jette.
Aber sie ist so furchtbar schlecht darin, dauerhaft die angenehmen, schönen Dinge zu sehen. So furchtbar schnell verblassen sie immer.
Und genau wie diese Dinge verblasst Jettes Monsterbändiger wieder. Von vornherein stand fest, dass es ihn bald auf unbestimmte Zeit in südliche Gefilde ziehen würde. Dass alles nur ein schöner Traum für das Hier und Jetzt ist.
Aber Jette ist so kopflastig. Denken, planen, bestimmen.
Wie? Einfach treiben lassen?
Das ist so schwer.
Filigrane Dinge können sich treiben lassen. Wölkchen. Federn. Segel. Gräser. Vögel.
Aber Jette, Jette hat doch eine Brutus-Kugel am Fuß und statt über's Meer zu gleiten, sinkt sie an den Grund und ertrinkt.
Sie wird sie schätzen, diese Begegnung. Denn sie hat einen unbeschreiblichen Wert. Aber sie verblasst, Jettes Retter-Fata-Morgana und sie wünschte so sehr, dass sie bliebe. Dass die Oase echt ist. Und von Dauer.
Sie wünschte, dass es wenigstens dieses Mal einen richtigen Abschied gäbe. Einen, nach dem man loslassen kann. Ein Ritual, bei dem die Hände sich lösen und die Lippen und bei dem über allem steht, dass dies die letzte Seite des Kapitels ist.
Und wonach sieht es aus im Moment? Danach, dass die Geschichte einfach wieder mit einem cliff hanger im Raum stehen gelassen wird. Genau wie Jette. Die allerdings stumm und weinend in ihrer dunklen Ecke. Sie kann einfach kein Vogel sein, kann nicht unbeschwert mitfliegen, nicht mal mit Flugpartner. Zu schwer die Last, die an ihr hängt. Zu groß die schwarze Schwere und die Angst. Die verdammte alte Angst.

Montag, 8. Juli 2013

FÜNFUNDZWANZIG.

"Die Zeit heilt alle Wunder schon nach wenigen Jahren, nur noch Narben da wo Wunder waren". Oder Ein Rumoren in der Tiefe.

Es grummelt. Nicht im Magen, aber doch irgendwo im Inneren Jettes. Man könnte es schönreden, wegereden, wegignorieren, wegdrücken, aber wozu sich selbst was vormachen?
Es rumort, und das zu Recht.
Wer sich tief in eine dunkle Höhle wagemutig vorpirscht, der muss sich nicht wundern, wenn er schlafende Untiere weckt.
Wer tief in der Seele rumwühlt, muss sich nicht wundern, wenn alte Narben wieder aufspringen.
In der vergangenen Woche hat Jette viele neue Leute kennengelernt. Ausgewählte. Solche, die mit ihr Schnittmengen haben (oder aufgrund der Gruppenzusammenfindungen jedenfalls haben müssten/sollten/könnten).
Menschen, die auch eine große Affinität zu Musik haben.
Menschen, die ebenfalls depressiv sind.
Menschen, die ebenfalls hochsensibel sind.
All diese Begegnungen hat sie nicht bereut und es war gut und richtig, endlich aus dem Mauseloch rauszukommen und sich bewusst nicht in die dunkle Abschiebe-Ecke drängen zu lassen.
Aber diese Begegnungen waren eben auch nicht folgenlos.
Wer tief schürft, wird früher oder später etwas finden. Und all die Geschichten von vielen anderen Menschen zu hören, die in irgendeiner Form an und unter ihrem Leben leider, bewegt. Bewegt, weil man nun mal empathiefähig ist, bewegt aber auch und vor allem, weil sich Jette ebenfalls noch in einem "Umbau-Prozess" befindet, in dem alle Eindrücke von außen, die Parallelen irgendeiner Art aufweisen, sie immer aufkratzen. Erinnerungen und Gedankenströme werden in Gang gesetzt, von deren Existenz sie kaum noch wusste. Und so ziehen die Gewitterwolken auf und es braut sich vielleicht etwas zusammen....Doch wie verhindert man ein Gewitter? Wie verhindert man, dass Narben aufbrechen? Verhindert man, dass zu bereits vorhandenen Narben identische dazukommen?
Er ist wieder da - der alte Affe Angst. Er tanzt mit Jette, schleudert sie durch die Luft, wie es ihm beliebt. Dass er da ist, ist verständlich. Bekannte Umstände lassen alte Muster neu aufleben. Doch was ist, wenn die Geschichte sich doch wiederholt? Was ist, wenn es immer wieder eine Wiederholung gibt? Was ist, wenn gleiche Verhaltensweisen zu gleichen Ergebnissen führen? Was ist, wenn gleiche, töricht eingegangene Risiken wieder zum Verhängnis werden? Kann man den Lauf der Dinge aufhalten? Gewinnt der Affe das Tanz-Duell?

Montag, 1. Juli 2013

Heimat-Hafen?!


Zuhause.


TAG 0... (Zurück) ZUHAUSE.

Jette hat sie aufgegeben, die Auszieh-Aktion. Ist zurück in ihrer Wohnung bei den anderen,
zurück.. Zuhause? Zurück in einem Zuhause? In einem der Zuhauses? Der Zuhäuser? Der.. wie lautet der Plural von 'Zuhause'?
-Richtig.
Es gibt keinen. Das gibt unsere Sprache nicht her. Sollte dann inhaltlich nicht auch damit verbunden sein, dass man nur ein Zuhause haben kann?

In der letzten Therapie-Sitzung hat Jette das Fehlen auch nur überhaupt eines Zuhauses, wenigstens iiirgendwo beklagt. Da fragte M, was denn dieses Zuhause denn sei für sie.
Ja was?
Einfach sein zu dürfen. Ein gewisses Stück Geborgenheit, sich fallen lassen dürfen und ohne Einschränkung einfach angenommen werden. Ohne das Nicht-gut-genug sein, ohne das Dauernd-mach-ich-was-falsch. Ohne das Warum-bin-ich-überhaupt-da.
So oft haben sich in letzter Zeit die Orte verändert, die Jette jeweils mit dem heiligen Begriff Zuhause tituliert hätte. War ganz konfus. Heute hier Zuhause, morgen dort Zuhause? Und wo bleibt dann wieder der langersehnte Fixpunkt?
Jetzt weiß sie es besser. 'Zuhause' darf sich ständig ändern. Denn Zuhause ist immer dort, wo sie einfach sein darf. Bei den Menschen, die sie einfach annehmen.
Egal was in ihrer Familie für Konflikte herrschen, ein Stück weit wird dort immer 'Zuhause' bleiben. Manchmal ganz ganz wenig, manchmal wieder mehr. Ein Stück weit wird auch ihr Heimatdorf immer Zuhause bleiben. Gibt es doch immer noch Menschen, die Jette von kleinauf kennen und Wert auf sie legen.Unabhängig davon hat Jette jedoch viele Zuhäuser. Bei den Freunden nämlich, die sie so gut kennen. Die sie aushalten, auch wenn das manchmal schwer sein muss. Manchmal verblassen die Zuhauses. Wenn man die Freundschaften über viele viele Kilometer pflegen muss. Wenn man in einer anderen Stadt ein bisschen verloren sitzt und sich so von allen abgeschnitten fühlt. Wenn man sich nicht so häufig sehen kann. Wenn jeder für sich ja auch noch ein Leben hat.
Nichtsdestotrotz - sie bleiben. All die Zuhauses bei all den Leuten. All die Zuhauses mit all den kleinen Gesten, mit den Umsorgungen, mit dem Einfach-mal-nichts-machen-müssen, mit dem Einfach-mal-all-die-Kontrolle-abgeben, mit all dem Einfach-nur-entspannt-schlafen.
Es gibt ihn nicht, diesen einen Ort namens Zuhause. Aber muss es doch auch nicht?!