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Samstag, 4. Januar 2014

54 :

Homeless. Oder Sich aus seinem Elend selbst befreien.

Irgendwie hat es gestern plötzlich "Klick gemacht" bei Jette. Einfach so. Als sei ein Schalter umgelegt worden. Auf einmal ist ihr klar, was schon die ganze Zeit auf der Hand liegt: sie wird Schluss machen - mit ihrer derzeitigen Wohn- und -Mitmenschensituation. Zwei Jahre lang hat sie nun hier versucht zu bekommen, was sie braucht. Zwei Jahre lang hat das in den seltensten Fällen geklappt. Ein Jahr lang hat sie sich nun schon mit der Verwaltung rumgeschlagen - um immer wieder ins Gesicht getreten zu werden und deren absolutes Desinteresse an dem von ihnen eigentlich zu verwaltenden Objekt verbunden mit einer bodenlosen Dreistigkeit zu spüren zu bekommen.
Wie blöd ist sie denn eigentlich?
Sich das länger anzutun?
Warum sollte sie das denn?
Geht's noch?
Sie hat das doch nicht gebucht. Das "ich bin ständig die Dumme, kümmer mich als einzige, investiere und bekomme nichts zurück".
Jette hat genau wie jeder andere ein Recht darauf, glücklich zu sein.
Oder für den Anfang immerhin erst mal glücklichER.
Manche Dinge machen ab einem bestimmtem Zeitpunkt einfach keinen Sinn mehr.
Manche Kämpfe sind einfach ausweglos.
Je eher man erkennt, wo dies der Fall ist, umso besser.
Zu dieser Erkenntnis ist Jette in der Wohnungssache nun endlich gekommen. Schuld daran trägt wohl Brecht, über den Jette gerade eine Arbeit für die Uni schreiben muss.
Es macht keinen Sinn mehr, sich weiter aufzureiben, weiter zu glauben, es wird noch gut.
Es wird nicht gut.
Nicht hier.
Aber vielleicht anderswo.
Vielleicht wird es dann auch nicht besser.
Aber wenn sie bleibt, erst recht nicht.
Erkenne die Veränderbarkeit der Welt. Und dann geh, und verändere sie!
Also scheint sich doch tatsächlich im Selbstläuferprinzip noch ein Vorsatz fürs neue Jahr zu entwickeln..
Doch warum nicht?
Besser selbst verursachte Veränderungen ertragen als ständig von oben oder außen auferlegte.
Besser das Gefühl des Mitgestaltungsraumes als die Handlungsunfähigkeit.
Jette hat es nicht wirklich, ein Zuhause.
Und sie braucht es doch. Dringend. Also muss sie es suchen.
Und wieder einmal wird ihr bewusst, wie kaputt alles ist. Dass es keinen heilen Ort für sie gibt.
Mit diesem Bewusstsein ist dann auch der Anti-Tränen-Puffer des neuen Jahres aufgebraucht.
Kein Wunder.
Die Nebenwirkungen der neuen Tabletten tun ihr Übriges. Seit 7 Uhr ist sie wach, ist erschöpft, doch kann nicht schlafen. Hat Herzrasen und für eine gewisse Zeitfensterbreite nur allen Schmerz im Sinn. Alle Scherben und alle Seifenblasen.
"Verpiss dich Brutus, ich kann dich nicht gebrauchen!", denkt Jette nur und tropft vor sich hin.


Donnerstag, 2. Januar 2014

53

Tiefgang. Oder Tiefflug.

Es ist Anfang Januar und oh Wunder, Jette hat sie mal wieder überlebt, die Feiertage. Weihnachten und das ganze Drama, Silvester mit den alljährlich daran geknüpften viel zu hohen Erwartungen. An den drei aneinanderhängenden Feiertagen nicht mal geweint, an Silvester und den Tagen davor..schon.
Erst kommen die Nebenwirkungen, dann die Wirkung, sagt Jettes Schwager.
Toll.
Wieder neue Tabletten bekommen und jeden Tag ist im Kopf für ein paar Stunden Weltuntergang.
Nur noch alles Dunkle und Schwere, alles, was Angst macht und einsam und traurig, nur noch das ist dann da.
Und alles ist so unglaublich sinnlos.
Und soll einfach nur endlich vorbei sein.
Aber dann ist es tatsächlich vorbei.
Wieder. Mit dem mentalen Weltuntergang. Denn wie alles endet auch dieser irgendwann. Manchmal nach einer Stunde. Manchmal auch erst nach fast einem Tag. Und solang er noch andauert, ist Jette einfach nur wie ein kleines Kind. Weint ungehemmt, ist abhängig, kann nicht allein sein. Hält sich nicht aus, kann sich selbst nicht retten. Fühlt sich ausgeliefert an das Unglück und den Schmerz und das Alleinsein.

Heute aber ging's. Heute hat sie sich ziemlich gut selbst aushalten können. War nicht mal vor der Wohnungstür, hat keinen Menschen gesehen und doch, es war okay. Heute hat Jette Dinge im Haushalt erledigt, Fernseh geguckt, gegessen und, wenn auch schleppend, eine ganze Weile lang gearbeitet. Sich tapfer mit einer Kanne Kaffee, viel Licht und dem offenen Fenster und der kalten Januarluft gegen die fiese und hartnäckige Tablettenmüdigkeit gewehrt. Und vor allem mit zwei guten Freundinnen telefoniert und mit zwei anderen interessanten Menschen längere Chat-Gespräche geführt.
Wieder einmal wurde dabei Jettes gesprächsbezogener Tiefgang festgestellt und gelobt.
Hachja.
Immer diese Tiefe.
Genau die ist Fluch und Segen.
Momentan noch mehr Fluch als Segen, denn sie macht alles unglaublich kompliziert.
Da ist nichts mit oberflächlichen Themen, oberflächlichen Gedanken, oberflächlichen Interessen. Da ist nichts mit kurzen Hauptsätzen. Mit einem 100-Wort-Vokabular. Mit einem 4-Minuten-Gespräch.
Alles ist groß und wuchtig.
Ist tief und zäh.
Wann wohl der Tag kommt, an dem Jette ihr Anderssein nicht mehr zu Last wird?
Wann die Tiefe sich als Zugang zum gut verborgenen Goldschatz entpuppt?