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Dienstag, 19. August 2014

V. Erkenntnis.

And in a nutshell, it all is about being loved and letting love. Oder "Und doch, welch Glück geliebt zu werden, und lieben Götter, welch ein Glück!"

Jette geht's scheiße. 2 Wochen Reha sind um, aber das tut nicht mal sonderlich viel zur Sache. Ihre Stimmung hat nichts zu tun mit der Dauer des Aufenthalts hier. Sie hat zu tun mit den Therapieinhalten von gestern und heute.
Wenn Jette richtig liegt - und da ist sie sich ziemlich sicher, denn schließlich kennt sie sich ziemlich gut - dann hat sie sie gefunden. Die Formel, die alles begründet. Die die Grundlage ist für all ihre, seien es noch bestehende oder schon vergangene, mentalen Leiden. Und dementsprechend auch für ihre körperlichen, weil psychosomatischen.
Eigentlich war alles ganz harmlos.
Uneigentlich nicht.
Denn wo ein "Grund-" auf der Spielfläche auftaucht, da kann es nie harmlos sein. Da geht es immer ums Eingemachte.
Jette war nicht mal dabei. Beim sagenumwobenen Vortrag vom sagenumwobenen, talentierten Chefarzt. Und doch, die Wogen des Gesagten schlugen auch in den übrigen Therapie-Konstellationen hoch.
Es ging um psychische Grundbedürfnisse. Und dass es krank macht, wenn auch nur eins davon in hohem Maße unzureichend erfüllt ist.
So weit so nicht neu.
Klar. Man braucht (oh, Jette meint natürlich "Ich brauche...") die Größen Identität, Autonomie, Selbstwert usw. usw., um psychisch gesund sein. All das ist schon gar nicht so einfach. All dort gab es in Jettes Vergangenheit wesentliche Hürden, die es zu überspringen galt und es gibt noch immer neue.
Aber als die Crux für Jette und den verbliebenen Kack, den sie bis heute noch nicht losgeworden ist (die Probleme, geregelt oder überhaupt zu essen, verloren gegangener Appetit und_oder Hunger; die Abneigung gegen Fotos und Spiegel und Videoaufaufnahmen; die Angst, nie gut genug zu sein; die Angst, nicht mithalten zu können; die Angst, die und das zu verlieren, woran sie hängt), als die Crux, die Basis, die hinter all dem Mist steckt, hat sich tatsächlich die Liebe erwiesen.
Besser gesagt die, von der die ganzen vielen Jahre lang zu wenig da war.

"Wir arbeiten hier tiefenpsychologisch [...]"

Ja, DAS sieht Jette seit heute auch ein.
Scheiße.

Wie gern witzelt man über die "schlechte Kindheit". Und wie unangemessen ist das!
Man muss nicht vorsätzlich schlecht behandelt worden sein. Man muss nicht finanziell eingeschränkt gewesen sein. Man muss nicht... keine Ahnung was alles noch nicht.
Der Punkt ist jedenfalls der: man muss nicht die Vorzeige-ungute-Kindheit-mit-schlechten-Erfahrungen gehabt haben, um psychisch ungesund und mehr als wackelig auf den Beinen aufzuwachsen.
Es reicht schlichtweg, wenn trotz aller Möglichkeiten, finanzieller Mittel, Geschwistern und Großeltern und sogar Freunden eine immer gefehlt hat.
Es reicht, wenn es kein genug indenArmgenommenWerden gab. Nicht genug dubistgutsowiedubistauchwenndukeineBestleistungenerbringst. Nicht genug Nähe und Wärme und offene Worte und Vertrauen. Stattdessen einen goldenen, aber kalten Käfig.
Und es macht es schlimmer, wenn ab dem Punkt, ab dem man erwachsen wird und nach Nähe anderer sucht, auf Ablehnung stößt. Immer und immer wieder. Wenn es wieder kein dubistgutsowiedubistundliebenswert gibt. Wenn es nur darum geht, mainstream zu sein. Auch optisch.
Und es lässt es eskalieren, wenn es da irgendwann einmal tatsächlich doch jemanden gibt und man, statt endlich den Rückhalt zu bekommen, nach dem man sich so lang gesehnt hat, auf den Boden gestoßen und es noch ein paar mal kräftig hinterhergetreten wird.
Kein Wunder, wenn da ein paar mal die Sicherungen durchgebrannt sind. Kein Wunder, wenn der verzweifelte Versuch, jemandem einmal genug zu sein, jahrelang immer wieder kläglich gescheitert ist und man nur Niederlagen erlebt hat. Also nicht man. Jette natürlich.
Jette weiß jetzt, oder glaubt zumindest zu wissen, wann und warum dieser ganze Mist mit dem Nicht-Essen angefangen hat. Klar, die hübschen dünnen Mädchen waren zu Schulzeiten immer die begehrten. Die es sich erlauben konnten, kurze Röcke zu tragen. Und ins Schwimmbad zu gehen. Und die im Sport gut waren. Und nicht letzte auf der Bank.
Jette weiß jetzt, oder glaubt zu wissen, warum sie mit den Verlusten in den vergangenen Jahren so schlecht zurechtgekommen ist. Die, bei denen es am meisten schmerzte, waren auch die, von denen Jette angenommen wurde. Wo sie mal jemand war.
Jette weiß jetzt... alles irgendwie. Jedenfalls lässt sich alles rings um dieses eine große Puzzleteil bauen.

"Was passiert mit einem Baby, wenn man es zwar füttert und wickelt, es aber sonst nicht umsorgt und liebt?"

"Es stirbt irgendwann."

Diese Antwort trägt die Wahrheit in sich, die bis jetzt noch gefehlt hat.

Es ist keine verdammte Bagatelle, sondern eine Last, die man (nie? kaum? schwer?) loswird. Es ist fatal, nicht genug geliebt worden zu sein. Und nicht lieben gedurft zu haben.
Es ist nichts, was sich rückwirkend korrigieren ließe. Kein Kindheitstank, der in 2.0 noch aufgefüllt werden könnte.
Also was daraus machen?

Verdammte Tiefenpsychologie.


Freitag, 15. August 2014

IV

HAKOMI. Oder Zwischen Teppichboden und Esoschiene. 

Jette rauscht der Kopf. Sie sitzt in der Cafeteria, dem einzigen Ort in der ganzen Klinik, wo man mit Glück halbwegs vernünftiges Internet hat. Es geht auf den Abend zu und so langsam verschwindet die kuchenverschlingende, sich selbst um die letzten Reste schlagende Rentnermeute und es wird stiller - schließlich gibt es ab halb sechs Abendessen. Klar, da muss man pünktlich erscheinen und sich die besten Fressalien schnappen.
Bitte, wenn's sein muss. Jette findet es ja irgendwie ein kleines bisschen albern..

Heute Nachmittag saßen zwischendurch einige Leute mit an Jettes Tisch, denn es bestand ein reger Kaffeetrink-Andrang. Unter den vorübergehenden Tischgästen auch zwei Damen. Anscheinend zwei "Luftis", wie Jette u Rike liebevoll die PatienInnen der Pneumologie nennen. Nicht solche "Knacksis" wie sie selbst.
Die besagten Damen stehen nun kurz vor der Entlassung. - Und sind ziemlich froh, bald wieder daheim zu sein. Jette kann das gut verstehen und kommt mit ihnen ins Gespräch. Es ist nett und da Jette neugierig und solange es ihr gut geht nicht auf den Mund gefallen ist, entwickelt sich eine ganz interessante Konversation.
Und währenddessen sowie jetzt danach fragt sie sich, wie eigentlich ihre Meinung ist zu der Dauer ihres Aufenthaltes hier. Laut Plan sind es 4 Wochen. Fast 2 davon sind nun vorüber.
Verlängerung?
Auf GAR KEINEN Fall, so viel steht fest.
Seit Dienstag hatte Jette sich an den Gedanken geklammert, die Reha hier zu verkürzen. Wegen..Nachhausewollens. Wegen SodbrennenundKopfwehundÜbelkeithabens. Wegen Nichtschlafenkönnens. Wegen Allesvertrautevermissens. Wegen Kuschelentzugserscheinungen. Wegen... Isteinfachsos.
Der Gedanke, in nicht mal 3 Wochen raus zu sein, hat irgendwie getröstet. Jette ging es ein bisschen besser.


Gestern stand nun in Jettes Reha-Plan das erste Mal etwas, das sie neugierig gemacht hat. Das etwas zu sein schien, was auf das passt, weswegen Jette eigentlich hier in den Bergen ist.
Was ihr zugegebenermaßen auch ein etwas flaues Gefühl im Bauch bereitete.

Jette hatte gestern Körpertherapie. Etwas, womit sie sich noch nicht beschäftigt hatte bis dato. Was ihr aber für sich als überaus sinnvoll schien.
Die Körpertherapeutin sah aus wie die verstorbene Mama von Jettes Ex. Das hat sie ziemlich irritiert.
Und sicherlich die Wirkung dessen, was während dieser Körpertherapie geschah, verstärkt.

Was die EinbisschenDoppelgängerin nun mit Jette praktizierte, nennt sich HAKOMI. Das kommt von den Hoki-Indianern (sagt sie) und soll "Wer bin ich?" bedeuten.
Das passt wie Faust auf's Auge.
Eigentlich geschieht in dieser Sitzung nichts, was Jette nicht schon kennen würde.
Und doch geschieht etwas.
Über ihr aktuelles Befinden, den Wunsch, frühzeitiger zurück nach Hause zu fragen kommen die beiden Frauen zu Jettes sozialem Umfeld.
Jette sagt "Mein soziales Umfeld trägt mich."
Und die PseudoDoppelgängerin wiederholt in der Ich-Form: "Mein soziales Umfeld trägt mich."
Schweigt und
fragt
"Was löst dieser Satz bei Ihnen aus?"

Jette liegt auf dem Boden. Zunächst nur wörtlich. Durfte sich mit Yogamatte auf dem Boden einrichten, die Dinge und die Therapeutin nach Belieben und Wohlbefinden im Raum drapieren. Und sollte eigentlich "nur" Achtsamkeit praktizieren und nach Anweisung in sich hineinhorchen.

Und dann, dann war es vorbei mit Contenance und Selbstbeherrschung.
Dann geht es mal wieder um Endlichkeit, um Angst und um Trauer.
Die Ähnlichkeit der Therapeutin mit der Verstorbenen KANN Jette einfach nicht kaltlassen und eine ganze Ladung an unvermuteter Emotionswallung bahnt sich ihren Weg durch die Tränendüsen, die sich nicht mehr steuern lassen.
Trauer.
Davon scheint noch ein ganzes Stück da zu sein.

Nach den 45 Minuten ist Jette fix und fertig.
Geht in ihr Zimmer, legt sich hin.
Muss sich ausruhen.
Ist ganz erschöpft.
Schläft
und
Schläft
und Schläft.
Dreieinhalb Stunden lang.
DAnach geht's ihr besser, sie hat sich wieder gefangen.

Jette ist erstaunt, ein bisschen verstört.
Beeindruckt und positiv überrascht davon, dass sie und sich in ihr tatsächlich erstmals etwas wirklich bewegt hat hier in dieser Klinik.
Vielleicht lohnt es doch, die 4 Wochen auszuhalten?
Doch es ist August und auch die Rehastätte bleibt nicht vom Sommerloch verschont.
Die Therapeutin ist erst mal eine Woche im Urlaub und mehr als ein, zwei weitere Sitzungen wird Jette wohl nicht bekommen.

Also was tun?
Gehen?
Bleiben?
Warten?

Mittwoch, 13. August 2014

III' SteinLöffelchenHerzKnutschePärchen

  

III

Eine Steinmetapher-Geschichte. Oder Das Gute ist der Feind des Besseren 2.0.

Jette ist ein Dickkopf. Und wenn sie sich mal was in den selbigen gesetzt hat, dann kann sie nur schwer wieder davon ablassen.
Jettes Speckstein in der Ergo war aber auch einer. Ein Dickstein sozusagen.
Aber Jette... wollte den. Den weißen Stein. Um genau das zu arbeiten, was sie sich ausgedacht hatte.
Und so quälte sie sich.
Die ersten 90 Minuten.
Und die nächsten 10.
Hm. Vielleicht... sollte sie...eventuell..doch? Aber nein, sie will doch genau DIESEN Stein nutzen.
Aber... vielleicht...würde es doch... Sinn machen, noch mal in die Kiste...zu schauen? Wenigstens einen... ganz kleinen, kurzen Blick riskieren?
Jette feilt weiter an dem unförmigen weißen Klotz.
Der nicht so will, wie sie das will.

Jette steht auf.
Nur mal gucken kostet ja nix. Aber die anderen...was denken die denn dann? Erst was anfangen und dann nicht weitermachen?
Hm.
Aber ist das eigentlich wichtig, was die anderen denken?
Jette geht zur Specksteinkiste im Kabuff.
Da gibt's so einen netten grün schimmernden. Der schreit geradezu danach, ein Herz zu werden.
Aber nein, das ist Jette jetzt auch wieder zu banal. Zu platt.
Zu...offensichtlich.
Und überhaupt hatte sie sich ja schon was anderes fest in den Kopf gesetzt.

Jette fasst sich ein selbiges und spricht die Ergotherapeutin an.
"Ich glaub, ich brauch mal Hilfe."
Sie gehen zur Kiste und die um Rat Gebetene schlägt einen braunen Stein vor.
"Aber ich wollte ja eigentlich so einen weißen.........."
-"Die braunen sind aber wesentlich leichter zu bearbeiten in der Regel. Probieren Sie es doch einfach mal aus."

Und Jette,
lässt sich wieder ein mal eines besseren belehren.
Denn siehe da. Dieser braune Stein ist ein dankbarer. Die Grundform nahezu optimal für ihr Vorhaben, das Material gut und ohne sehr große Widerstände zu bearbeiten.
Binnen 75 Minuten hält Jette viel schneller als gedacht in den Händen, was sie sich vorher ausgemalt hatte.
Und der weiße Stein?
Der landet bei der Nachbarin, die sich ihm vielleicht erbarmen will.

In der Ergo werden die Dinge besprochen, die man arbeitet. Nicht interpretiert ohne Zustimmung des Werkenden, und doch..besprochen.
Und Jette fällt auf, dass ihr ihre Geschichte mit dem Stein ziemlich gut gefällt. Denn sie lässt sich übertragen. Auf Jettes Dickschädel. Auf Jettes Ideen, die manchmal einfach zu fix sind und mit denen sie sich das Leben schwerer macht, als nötig. Und auf die, die ihr Interesse auf sich zogen und ziehen.

Jette erzählt der Ergotherapeutin ihre Geschichte. Nun ja, wenigstens einen wesentlichen Teil davon.
Jette erzählt, dass sie der erste weiße Stein an jemanden erinnert, auf den sie sehr fixiert war, mit dem sie sich so ganz unbedingt und so ganz unverhandelbar beschäftigen wollte.
Und an dem sie gescheitert ist.
Der nicht passend für sie war.
Und dann erzählt Jette, dass sie den braunen Stein ja eigentlich zunächst nicht so interessant für sich fand, dass sie eigentlich nicht von dem ersten Stein ablassen wollte.
Schließlich hatte sie so viel in ihn hinein investiert. Und das alles einfach aufgeben?!?

Doch wie Jettes Schwester vor einen ganzen Weile schon sagte: "Das Gute ist der Feind des Besseren". Und was gut scheint, muss es nicht tatsächlich sein.

Jette hat inzwischen ein wenig gelernt, von ursprünglichen Ideen wieder abzulassen.
Sich auch mal auf etwas einzulassen, was ihr zunächst nicht so zusagt.
Jedenfalls auf den ersten Blick.
Und der Dank dafür?
-Das Bessere!
Der Beweis dafür, dass sich ein zweiter und dritter und auch noch der tausendste Blick lohnt.

Der braune Stein ist ein dankbarer. Er und Jette harmonieren gut, sie kommt voran, fühlt sich wohl mit ihm. Beißt sich nicht die Zähne an ihm aus, rutscht nicht ab mit der Feile und verletzt sich, sondern jeder Handgriff, jede Mühe lohnt. Letztlich kann Jette tatsächlich umsetzen, was ihr vorschwebte.
Mal wieder hat eine (in diesem Fall Ergo-) Therapeutin ihr den Kopf gewaschen. Und ihr zu ihrem Glück verholfen.
Der braune Stein ist ein wirklicher Stein, das schon.
Aber nicht nur das.
Er ist auch eine Metapher. Für den, der passend für Jette ist. An dem sie nicht verzweifelt und hoffnungslos versucht, umzusetzen, was ihr vorschwebt. Sondern mit dem die Dinge leicht sind. Die Formen fließend. Sich Mühe lohnt.

Jette ist zufrieden.
Mit ihrem Werk.
Mit ihrem Stein.
Und mit ihrem "Steinmann".
Der genau richtig ist.

<3

Montag, 11. August 2014

II

Fight, flight or freeze. Oder Vom Nachhausewollen.

 Es ist Montag. Tag 6 der Reha für Jette. Heute fragt sie sich mal wieder von wie vielen (Tagen). Am liebsten hätte sie heute schon die Flinte ins Korn geworfen. Das Wochenende war furchtbar. Am Samstagabend hatte Jette mal wieder einen ihrer berühmt-berüchtigen "ich bin doch so klein und alles ist so furchtbar Anfälle". Wie sie die hasst. Am Sonntag hat sie dann bis 3 Uhr am Nachmittag geschlafen (wer schläft, kann sich zumindest nicht in Heulanfälle reinsteigern...). Und heute...ist Montag. Und bis zum Nachmittag hat Jette schon Kopfkino-Pläne geschmiedet, wie sie bzw. wann sie hier schnellstmöglich wegkommen kann. Ihre Mitpatient_innen haben nicht solche Anpassungsumstellungseingewöhnundunwohlfühl-Probleme wie sie. Die sind froh. Raus zu sein. Aus dem Alltag. Aus den akuten Konflikten. Aus kaputten Beziehungen und miesen Jobs. Und Jette? Ist unfroh. Raus zu sein. Aus dem mühsam rekonstruierten Alltag, welcher einen großen Wert haben kann. Wenn es ein Leben gibt, das sich doch so einigermaßen in der Norm (was auch immer das eigentlich sein mag und wer auch immer die eigentlich bestimmt) bewegt und sich ohne sich schämen zu müssen, als ALLTÄGLICH bezeichnen darf. Jette ist also unfroh. Sie ist auch nicht wirklich raus aus ihren Konflikten. Denn in ihrem eigenen Zuhause, da gibt's nur recht wenig akute davon. Und die längerfristigen, die trägt Jette sowieso in ihrem voluminösen verstrickt-verworrenem Kopf mit sich rum. So what? Jette ist auch nicht raus aus kaputten Beziehungen. Denn die, die sie Zuhause hat, die sind nicht kaputt. Die sind gut und nah und warm und machen ganz. Und die, die sie kaputt machen, auch die trägt sie eh schon seit vielen Jahren und unabgeschreckt von Landes- oder Gebirgsgrenzen mit sich herum. So what? Und Job? Naja, Semesterferien. Aber das ist ein anderes Kapitel. Jette ist hier ziemlich aufgeschmissen. Im bergischen Nirgendwo, wo die dicken schweren Wasserwolken zum Greifen nah sind und Gefahr laufen, zu platzen, wenn man sie nur zu intensiv anstarrt. Hier hat sie nichts von dem, was sie sich ganz langsam und ganz vorsichtig (wieder) aufgebaut hat. Kein gemütliches Zimmerchen mit all den ihr wichtigen Dingen. Keine Mitbewohner_innen, die für Unterhaltung, als Kummerkasten und Speisepartner_innen dienen könnten. Kein Grünbär. Kein Brummen und Kuscheln und Schnäbeln und Reden und Schweigen. Nur viel Jette. ZU viel Jette für ihren Geschmack. Hier ist kein bestes Freundinnen-Steinchen oder auch sonst keiner der sonst so nahen Freund_innen. Hier zählt keine aufgebaute Selbsthilfegruppe, kein Chor, keine Uni kein.. Nix. Nur Sich-irgendwie-einbinden-und-nicht-von-den-Regenwolken-aufgesogen-werden. Und das ist gar nicth so einfach. Heute Nachmittag war Nordic Walking. Und Ergo. Speckstein-Schnitzen. Was das wird? Na Jettes "WIR". Soll es jedenfalls. Aber das will sie den anderen noch nicht erklären müssen. Nach dem Werkeln fährt Jette ein Mitpatient ins Dorf. -Der ist nett. Das Fahren auch.- Ohropax kaufen. Gegen die dünnen Wände. Die seltsamerweise Schnarchen. Sollten mal auf die Pneumo gehen.. Jetzt ist Jette platt. Aber will nicht mehr ganz sofort weg. Nur noch bald?!? Abwarten. Letztlich sind es immer MOmentaufnahmen. Aber die verwackelten überwiegen bislang. Und fehlende soziale KOntakte, fehlendes Netz und jetzt noch ein fehlender Therapeut, weil der grad in den Presswehen liegt..., machen die Schnappschüsse nicht grad schöner....

Donnerstag, 7. August 2014

ALLGÄU. Oder Alpen-Muhkuh-Heidibergidyllrehabilitation.

I

Prolog:

Hallo lieber Blog.
Hallo Jette?
Hallo lieber Blog.
Ach, dich gibt's auch noch?
Ja, mich gibt's auch noch. Ja, ich weiß, lang ist's her. Aber es gab gute Gründe für meine Abwesenheit, versprochen. Tatsächlich GUTE Gründe, lieber Blog! :) <3
Ach wirklich?
Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa...
Na dann erzähl doch mal!
Okayy:


Jette sitzt in der Cafeteria. Irgendwo im Nirgendwo, irgendwo hinter vom Regen verschleierten Scheiben zwischen alpinen Bergen und größtenteils älteren Leuten.
Jette sitzt in der Reha.
Hat sie sich selbst verordnet.
Sich dann über sich selbst geärgert. Was hat sie sich denn da eingebrockt wieder? Freiwillig weg von...allem.. gehen?
Aber ja, es gab ja Gründe. Es gibt sie noch immer. Wenn auch weniger.
Denn diese gewaltige ewige Herzschmerzdramaleiche, die ist raus aus dem Keller.
Kein Herzschmerz mehr.
Kein endloses Anderssein mehr. Einen riesengroßen Punkt von der "LeichenimKeller-Liste" konnte Jette streichen.
Stattdessen darf Jette nun endlich vervollständigt sein. Durch ein seltenes Exemplar der verkuschelten Grünbärenart. Und das nun schon fast ein nahes halbes Jahr lang.
Doch jetzt ist Tag 3. Tag 3 von 28 insgesamt. 600km von allem, was zu ZUHAUSE gehört, entfernt. Am Ankunftstag war Jette einfach reizüberflutet. Am 2. Tag ging's ihr super. Und heute? Ist sie sehr erschöpft. Morgens um 7 aus dem Bett zum Frühsport gescheucht zu werden, frisst halt ziemlich Energie. Der Kopf scheint platzen zu wollen. Und heute Abend? Fühlt sie sich ein bisschen traurig, ein bisschen einsam. Warum?
Hm, weil Wegsein vielleicht doch nicht so einfach ist?
Weil zwangsverordneter Sport in unsympathischen Hallen Erinnerungen an ekelerregende Sportstunden aus Schulzeiten aufleben lässt?
Weil..sie Sehnsucht nach ihren Lieben hat?
Weil.. Jette weiß es selbst nicht so recht.
Vielleicht läuft's morgen wieder besser. Weniger druckig auf dem Kopf, weniger leerig im Brustkorb, mehr...sonnig.